Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
und sich zu einem spitzen Dorn verjüngte.
„Lysandra!“, rief Arnhelm voll Überraschung und wich hastig zur Seite, während er mit dem Instinkt eines erfahrenen Kriegers nach der Waffenhand seiner Tochter griff und festhielt. Allerdings fühlte er zugleich, dass die Schneide des Dolches ihn trotz seiner schnellen Reaktion getroffen und ihm die linke Bauchseite aufgeschlitzt hatte.
Die zierliche, junge Frau wand sich und schrie wie im Wahn, während der König sie festhielt und versuchte, die brennenden Schmerzen, die ihm die Wunde verursachte, beiseite zu schieben. Ein regelrechter Ringkampf kam zu Stande, denn die Angreiferin dachte nicht daran, ihre Absichten nach einem ersten Misserfolg so einfach aufzugeben, und bemühte sich redlich, ihre rechte Hand zu befreien, um einen neuerlichen Messerstoß landen zu können.
Dann endlich entwich der grausige Dolch ihrer Hand unter dem stärkeren Druck ihres Vaters, und ehe man sich versah, erlosch ihr Widerstand, denn sie sank auf den weichen Teppich nieder und trieb in einen tiefen, seligen Schlummer davon.
Erwehre dich nicht gegen das Unvermeidliche, Arnhelm!
Der König Lemurias hatte sich gerade vergewissert, dass Lysandra wirklich nur schlief und ihr nichts Schlimmeres widerfahren war, als er die Stimme in seinem Kopf vernahm. Kalt war sie und von einer altehrwürdigen Ruhe und Erhabenheit geprägt, ganz so, als ob sie aus der Tiefe eines längst vergessenen Grabes ertönte und vor Tausenden von Zeitaltern einmal einem unsagbar mächtigen Wesen gehört hatte, das damals gewohnt war, dass man seinen Befehlen gehorchte.
Arnhelm starrte voll staunendem Entsetzen auf eine riesige Schlange, die plötzlich auf dem Bett erschienen war und deren furchtbares Antlitz einen schrecklichen Kontrast zu den weichen Linien der Kissen und Decken darstellte. Weder Mitleid noch Grausamkeit noch Furcht noch irgendeinen anderen Ausdruck verriet dieses Gesicht, und keine Regung des mehrere Schritt langen Tierkörpers ließ erahnen, dass es sich hierbei wahrhaftig um ein Wesen aus Fleisch und Blut handelte. Ebenso gut hätte es sich um eine Statue handeln können, eine vollendete Arbeit von der Hand eines bedeutenden Künstlers, mit einer Maske aus Porzellan, in der trübe Perlen anstatt starrer Augen ruhten. Dennoch war unverkennbar Leben in dem Geschöpf, ein Leben solcher Art, wie er es noch niemals zuvor geschaut hatte und das es in Arthilien möglicherweise überhaupt nicht gab.
Das war es also, was der Wächter gesehen und für eine Kordel oder ein Seil gehalten hatte! Und das war es auch gewesen, was seine Diener ermordet hatte!
Komm zu mir, Menschensohn! Lass mich dich von deinem Leiden befreien!
Der Herrscher war für einige Momente erstarrt wie ein Kaninchen, das den Schatten des Falken gewahrt. Dann besann er sich und zwang sich, den unwiderstehlichen Worten der fremdartigen Kreatur, die er nur in seinem Kopf widerhallen hörte, Folge zu leisten. Dabei vermochte er seinen Blick für keine Sekunde abzulassen von dem kalten, klassischen Antlitz und insbesondere den absonderlichen Augen, die wie fahle Murmeln in tiefliegenden Höhlen glänzten. Eine völlige Ruhe ging von ihnen aus, und doch wurde ihm nun klar, dass sich dahinter eine Boshaftigkeit verbarg, die vielleicht nicht von dieser Welt war und die selbst die Gemeinheit mancher Diener Tuors in den Schatten stellte. Trotzdem fühlte er sich von der Erscheinung so zwingendangezogen wie Motten vom todbringenden Licht einer einzigen Kerze in der Finsternis, und er konnte nicht umhin, den geflüsterten Anweisungen Folge zu leisten.
Zeit zu träumen ...,
sprach das Schlangenwesen mit unhörbarer Stimme, als sein Opfer bis auf drei Schritt an seinen Liegeplatz herangenaht war. Dann waren es nur noch zwei Schritt, und kaum mehr noch war erforderlich, um den todbringenden Kiefern des riesigen Reptils die Möglichkeit zum Angriff zu geben.
Arnhelm zog das Schwert seines Vaters so heftig aus der Scheide, dass die Klinge surrte. Er fühlte keinerlei Angst oder Zweifel, sondern einzig pure Entschlossenheit, als er seine Waffe schwang und dabei nur verschwommen sah, wie der gewaltige, längliche Leib des Gegners zum Gegenangriff nach vorne schnappte. Sollte er zu langsam gewesen sein, würde er zweifellos gleich die Kälte des Todes auf seiner Stirn fühlen, und dann wäre es auch schon vorüber.
Doch er wartete vergebens auf ein Zeichen des Todes. Stattdessen erblickte der blonde Mensch vor sich den Todeskampf jenes
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