Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg der Zwerge

Der Krieg der Zwerge

Titel: Der Krieg der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
entflohen waren.
    So gibt es auch hier Vorbehalte, dachte er irgendwie erleichtert und trat näher an den Rand des Dachs, um die Passanten zu betrachten.
Er entdeckte vollständig gebleichte Zwerge und solche wie er selbst, die noch nicht lange zur Gemeinschaft der Ausgestoßenen gehörten. Sie begegneten sich auf der Straße achtungsvoll, grüßten einander und gingen ihrer Wege.
Schließlich entdeckte er den achteckigen VraccasTempel, der in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Statue erbaut worden war. Aus den fünf Schloten stieg weißer Qualm, und der Geruch von Kräutern und glühendem Eisen hing in der Luft, ehe der Wind ihn mit sich fort trug; offenbar vollführten die Priester eine Zeremonie zu Ehren des Göttlichen Schmieds.
Der helle Rauch erinnerte ihn an den unheimlichen Nebel, durch den er in den Ausläufern des Jenseitigen Landes gelaufen war, und an die Rune in der Felswand. Ob die Untergründigen auch zu Vraccas beten?
»Wenn du bleibst, wirst du das Nachtgebet zu hören bekommen«, sagte Myr unvermittelt hinter ihm.
Er zuckte erschrocken zusammen und wäre um ein Haar über die Kante gerutscht, aber sie erwischte ihn am Hemd und zog ihn zurück. Da er sein ganzes Gewicht nach hinten verlagert hatte, prallte er hart gegen sie und beeilte sich, sie aufzufangen, weil nun sie in Gefahr geriet, umgestoßen zu werden.
So lange, wie ein Tropfen Bier braucht, um aus dem Bart eines Zwerges zu Boden zu fallen, standen sie dicht an dicht. Tungdil spürte ihre Wärme und die weichen Brüste durch ihr Hemd. In diesem Augenblick schätzte er sich glücklich, kein Kettenhemd zu tragen.
Sich räuspernd ließ er sie los. »Das Nachtgebet?«, versuchte er abzulenken und wandte sich zu dem Tempel um, dessen Türen sich soeben öffneten.
Fünf Dutzend Zwerge in der Tracht der Schmiede kamen heraus und stellten sich auf die Stufen; offenbar wusste jeder von ihnen ganz genau, wohin er gehörte. Der Letzte trat an einen Amboss aus reinem Vraccasium, einen Vorschlaghammer aus Stahl haltend.
»Es ist der rituelle Dank für einen weiteren Tag, den uns Vraccas gewährt hat«, erläuterte sie. »Ich habe den Zwillingen Bescheid ges agt, sie werden es sich mit uns ansehen.«
Ingrimmsch zwängte sich durch die Öffnung; auch er musste ohne sein geliebtes Eisenkleid auskommen, lediglich die Beile steckten in seinem Gürtel. »Da seid ihr ja. Die besten Plätze sind wohl schon weg?« Er kniff die Augen zusammen. »Was wird denn das?«, fragte er mit Blick auf die Priester. Myr erklärte es ihm kurz. »Aha«, meinte er daraufhin. »Nun, bei uns betet jeder für sich allein. Nur zu besonderen Gelegenheiten kommen wir zusammen.«
»Es sieht recht ordentlich aus, was sich da vor uns tut«, bescheinigte sein Bruder, der soeben auf das Dach stieg. »Was kommt nun?«
Ein lautes Horn blies einen dunklen, melodischen Ton durch die Gassen und Straßen und rief die Zwerge auf den Platz, auf dem sich die Statue befand.
Immer mehr drängten sich dazu, sodass es bald den Anschein hatte, als bestünde der ganze Platz aus Köpfen mit den unterschiedlichsten Haarfarben. Auch auf den Dächern, die gleichermaßen flach gebaut waren wie Myrs Haus, regte sich etwas. Wo auch immer sich gerade die Gelegenheit bot, kamen die Bewohner Goldhorts zum Vorschein und wandten den Blick auf den Tempel und die Statue. Auch Myr widmete ihre Aufmerksamkeit dem kommenden Gebet.
Der Priester am Amboss wuchtete den Vorschlaghammer in die Höhe und hielt ihn ausgestreckt über dem Kopf, ohne dass seine Arme zitterten. »Vraccas, höre unsere Stimmen und unser Lob an dich«, rief er getragen und ließ den Hammerkopf nach unten sausen.
Ein helles, metallisches Klirren ertönte, gleißende Funken sprühten mehrere Schritt weit davon, einen feurigen Schweif hinter sich herziehend, und trafen die Kohlebecken an den Treppen, aus denen weiße Lohen emporschossen.
Der Priester in der Mitte der Gruppe öffnete die Lippen und hob an zu singen. Kräftig und voll drangen die Töne aus seinem Mund. Nach der ersten Strophe fiel ein zweiter Priester mit ein, nach der zweiten ein dritter und immer so fort, bis die Hälfte der Zwerge sang.
Ein weiterer Hammerschlag folgte, und diejenigen, die eben noch geschwiegen hatten, erhoben die Stimmen und machten aus dem anfangs einfachen Lied eines einzelnen Sängers ein ergreifendes, vielstimmiges Chorwerk, wie es Tungdil noch nie gehört hatte. Er fühlte, wie sich die Härchen auf seinen Armen aufrichteten.
Das gesungene Gebet an Vraccas

Weitere Kostenlose Bücher