Der Krieg der Zwerge
verreckt, läuft man gezwungenermaßen, meine Dame«, strickte er den Anfang einer Lügengeschichte, an deren Ende ihre Gunst stehen sollte. »Ich entkam mit knapper Not ein paar Straßenräubern, die mir den Gaul verletzten, woran er krepierte, und meine Satteltaschen mit meinem Hab und Gut stahlen.«
»Lasst mich raten: Ihr seid ein Edelmann, der auf dem Weg zu seiner Liebsten nach Porista war.« Sie strich sich eine brünette Strähne aus dem Gesicht und erwiderte sein Lächeln mit nicht weniger Schelmigkeit in den Augen. »Ich habe Euren Namen nicht verstanden, Herr …?«
Er geriet ins Schwanken. Offenbar durchschaute sie seine kleine Geschichte bereits in den Ansätzen. Ein harter Brocken. Umso besser, eine Herausforderung macht die Angelegenheit spannender.
Ihm entging nicht, dass sie an ihm vorbeischaute. Also blickte auch er dorthin und musste lachen. Ich Idiot. Er hatte vollkommen vergessen, dass sein überlebensgroßes, lächelndes Konterfei neben den Eingang gemalt worden war. Auf sein Drängen. Zu seinem Glück hatten es die Wachen wohl nicht bemerkt.
»Nun verratet Ihr mir, weshalb Ihr mir gegenüber nicht sagen wolltet, wer Ihr wirklich seid?«, bat sie ihn und trat näher an ihn heran. »Weshalb erzählt der Unglaubliche Rodario Lügenmärchen?« Ihre dunkelgrünen Augen musterten ihn verschmitzt.
»Mir war gerade danach«, stürzte er sich in die nächste Ausflucht. »Und da Ihr ohnehin wisst, wer ich bin, verratet mir, wie es sein kann, dass eine hübsche Frau wie Ihr nachts allein und ohne Schutz durch Porista wandelt? Ich kenne Euch nicht, edle Dame, und glaubt mir, ich kenne …«
»Jede Frau in der Stadt?«, lachte sie ihn aus. »Dann wäre eine Bekanntschaft mit Euch äußerst fragwürdig.«
»Nein, nicht jede Frau. Aber ich bin von Andôkai der Stürmischen und ihrer Nachfolgerin Narmora der Unheimlichen als Miterbauer der Stadt bestellt worden. Zusammen mit meinem Compagnon Furgas richten wir wieder auf, was zerstört wurde …« Er folgte ihr mit den Augen, während sie ihn umwanderte; die Schleppe ihres Pelzes glitt durch den Schnee und zog eine Spur. »Da lernt man die Menschen kennen. Aber Euch«, wie von selbst streckte sich seine Hand aus und hielt sie am Arm fest, als sie vor ihm stand und zu einer neuerlichen Umrundung ansetzen wollte, »habe ich noch nie gesehen. Dabei sollten die Steine in den Gassen Eure Schönheit preisen und Mosaiken formen, die Euer Antlitz zeigen.«
Sie lächelte, dieses Mal wie ein junges Mädchen, das ihr erstes Kompliment von einem Verehrer bekommen hatte. »War das nun ein Zitat aus einem Eurer Stücke, oder habt Ihr es gerade eben erst ersonnen?«
»Einmalige Worte für eine einmalige Frau wie Euch«, hauchte er und freute sich, als er sah, dass ihr gefiel, was sie aus seinem Mund vernahm. Ich habe nichts verlernt.
Zufällig schaute er über ihre Schulter und sah die Straße, die zum Großen Marktplatz führte. Da fiel ihm ein, weshalb er eigentlich in Porista war. Leider war nicht vorgesehen, dass er sich mit der Unbekannten näher beschäftigte, so wie er es sich gewünscht hätte. Viel zu lange hatte er schon dem Spiel der Spiele zwischen Mann und Frau entsagt.
Reiß dich zusammen, herrschte er sich selbst an. Du kannst deine Freunde nicht länger warten lassen. Er ergriff forsch, aber galant ihre in einen weißen Handschuh gehüllte Linke und drückte einen Kuss darauf. »Sagt, wo kann ich Euch finden? Man erwartet mich bereits für eine geheime Probe, die ich unmöglich absagen kann. Aber danach«, er schenkte ihr einen tiefen Blick aus seinen braunen Augen, »könnten wir uns wieder sehen. Wenn Ihr möchtet.«
Sie zog die Hand zurück, sie wirkte enttäuscht. »So schnell ergreift Ihr die Flucht, Rodario?« Ihre Füße trugen sie die Gasse hinauf. »Nun, dann halte ich Euch nicht auf. Es wird mir aber eine Freude sein, das Stück, das Ihr einstudiert, bald auf der Bühne zu sehen.« Sie schenkte ihm einen aufreizenden Augenaufschlag, wandte sich um und verschwand bald im Schneetreiben, ohne sich noch einmal nach ihm umgesehen zu haben.
»Wo finde ich Euch? Ich möchte Euch die Karten senden!«, rief er laut, aber er erhielt keine Antwort. Es soll nicht sein. Ein wenig niedergeschlagen eilte er das Sträßchen entlang und landete auf dem Marktplatz.
Die immer dichter fallenden Flocken gaben ihm Deckung vor neugierigen Blicken, er huschte hinüber zu der Stelle, wo der Kanal an die Oberfläche kam, und sah, dass die Riegel geöffnet waren. Die
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