Der Krieg der Zwerge
raunte Balyndis. Selbst die stärksten Wurfmaschinen, die ihre Ingenieure gegen die gefährlichsten Bestien Tions ersannen, richteten keine derartige Verwüstung an. »Magie? Hat Nôd'onn vielleicht vor seinem Tod …« Sie erinnerte sich an das, was sie vom Plateau des Schwarzjochs aus gesehen hatten. »Der stürzende Stern! Ist er sein Werk?«
»BOËNDAL!«, schrie Ingrimmsch markerschütternd und rannte in die Dampfschwaden, die merklich den Geruch von Verbranntem in sich trugen, um zum Eingang des Zwergenreichs zu gelangen. Die Sorge um den Zwillingsbruder ließ den heißblütigen Zwerg jegliche Vorsicht vergessen.
»Nein, warte!«, rief ihn die Königin zurück.
Tungdil wusste, dass er nicht auf sie hören würde. Also heftete er sich an die Fersen seines Freundes, um ihm gegen mögliche Gefahren beizustehen, die in dem undurchdringlichen Nebel lauern mochten. Balyndis begleitete ihn, ohne zu zögern.
Sie folgten den Geräuschen, die Boïndil machte. Ein klirrendes Kettenhemd erzeugte zusammen mit einem klappernden Helm in der Stille um sie herum einen infernalischen Lärm, sodass sie nicht einmal sehr genau lauschen mussten.
Was sie unterwegs sahen, ließ ihre Besorgnis wachsen.
Ein Trichter reihte sich an den nächsten, im Durchmesser mal klein wie ein liegendes Wagenrad, dann wieder so riesig, dass acht Ponys hintereinander darin Platz gefunden hätten. Der Boden hatte dem, was eingeschlagen war, nicht genügend Widerstand bieten können und war bis zu sieben Schritt tief eingedrückt worden. Für die Zwerge bedeutete das eine Kletterpartie nach der nächsten. Schnee gab es nicht mehr, etwas hatte ihn vollständig aus dem Tal weggetaut. Selbst das Wasser schien verdampft zu sein, weißlich glitzernde Kristalle hockten auf den Felsen. Es roch widerlich.
Sie liefen und liefen, immer das helle Klimpern der Kettenringe vor sich, bis sie sich der Stelle näherten, an der die eigentliche Festung aufragen sollte.
Nach den nächsten Schritten knirschte plötzlich wieder Schnee unter ihren Sohlen, und der Nebel spie die Gestalt Ingrimmschs aus. Er verharrte regungslos vor einem Berg aus Firn, der steil vor ihm anstieg und sich unüberwindbar auftürmte. Der Dunstschleier löste sich weiter auf und gewährte ihnen einen Ausblick auf das Chaos.
Aus den Schneemassen ragte nur mehr einer von den neun prächtigen Türmen trotzig in die Höhe. Eine Lawine hatte die hölzernen Aufbauten davongerissen und Zinnen abgetragen, aber er war nicht eingestürzt.
Doch von den acht anderen Türmen war nichts mehr zu sehen. Die dicken Doppelmauern, die raffiniert gebauten Aufzüge, die Trümmer und vielleicht die Toten, sie alle lagen unter dem dreckigen Weiß begraben.
Die Schmiedin versuchte, die große Brücke auszumachen, welche den höchsten der Türme mit dem Eingang ins Reich der Nachkommen Borengars verband. »Sie ist weg«, stellte sie entsetzt fest. »Der Weiße Tod hat sie mit sich gerissen.«
Tungdil konnte nicht sprechen, das Grauen hielt ihn gepackt.
Hinter ihnen erklang Hufschlag, der Tross der Zwerge hatte zu ihnen aufgeschlossen. Flüche mischten sich beim Anblick der vollkommenen Zerstörung in erschrockene Ausrufe und kummervolle Worte.
Xamtys stieg ab und trat dicht an die Ausläufer der Lawine heran. Sie streckte den Arm aus, griff in den Schnee und zog einen deformierten Helm hervor, der seinen Träger nicht vor der Macht des weißen Todes hatte schützen können.
»Vraccas, deine Kinder haben teuer für die Rettung des Geborgenen Landes bezahlt«, sagte sie getragen, ohne den Hauch einer Anklage hineinzulegen. »Oder soll es der Auftakt für das sein, was uns noch bevorsteht?« Ihre braunen Augen richteten sich auf den letzten Turm, Tränen rannen ihr über die Wangen in den dunklen Flaum, fielen auf ihre goldene Rüstung. »Ich weine um alle Zwerge, denen das Leben genommen wurde, und schwöre, dass nichts mich daran hindern wird, das Vernichtete aufzubauen. Noch schöner, noch herrlicher. Ich erlaube dem Bösen keinen Triumph, nicht heute, nicht morgen, und wenn ich die Steine ganz allein aufeinander schichten muss.« Zärtlich fuhr sie über den Helm. »Der Stamm der Ersten wird ihrer immer gedenken.« Sie reckte ihren Fund in die Höhe. »Wir sind die Kinder des Schmieds!«
»Wir sind die Kinder des Schmieds!«, schallte es aus hunderten Kehlen, und kaum verhallte ihr Ruf, hörten sie weit über sich ein Signalhorn erklingen.
»Zur Nebenpforte«, übersetzte Balyndis für Tungdil. »Das Signal bedeutet, dass
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