Der Krieg der Zwerge
sie uns dort erwarten.«
»Wo ist sie?«, knurrte Ingrimmsch ungeduldig, und Tungdil erkannte den aufflackernden Wahn in seinen Augen. »Ich muss augenblicklich dort hin.« Er packte die Schmiedin grob am Arm. »Los, geh vor.«
Unter anderen Umständen hätte Balyndis ihm sehr unhöfliche Dinge zur Antwort gegeben, doch da sie sein Temperament kannte und den besorgten Blick ihres Gefährten sah, setzte sie sich ohne eine Silbe des Widerspruchs an die Spitze des Zuges und wies Boïndil den Weg.
Sie umrundeten die Ausläufer der Lawine und liefen auf eine nach außen hin massive Seitenwand der Klamm zu.
»Sie wurde eingerichtet, um dem Gegner bei einer Belagerung überraschend in die Flanke fallen zu können«, erklärte die Schmiedin. »Wir haben sie noch nie benötigt.«
»Heute zeigt sich ihr Nutzen.« Tungdil beobachtete, wie der Stein plötzlich Risse in Form eines rechteckigen Durchlasses aufwies und vor ihnen in vier Schritt Breite und vier Schritt Höhe aufschwang. Dahinter erschien ein Dutzend Zwerge, welche die Ankommenden erwarteten. Tungdil betrachtete Boïndil abschätzend. Vraccas, du hast deinen schützenden Schild hoffentlich über seinen Bruder gehalten, oder er wird das, was der Weiße Tod nicht zerstört hat, in seinem Schmerz in Stücke schlagen.
Ingrimmsch öffnete den Mund. »Wo ist Boëndal?«, verlangte er zu wissen, und als die Zwerge, deren Aufmerksamkeit sich verständlicherweise auf ihre Königin richtete, nicht schnell genug antworteten, packte er einen von ihnen am Kragen des Lederwamses und schüttelte ihn. »Wo ist mein Bruder?«, schrie er und presste so fest zu, dass sein Gegenüber einen roten Kopf bekam.
Tungdil fiel ihm in den Arm. »Boïndil, beruhige dich!«
»Er … liegt im Bett«, stieß der malträtierte Zwerg hervor. »Wir haben ihn aus dem Schnee geborgen und ihn …«
»Aber?«, unterbrach ihn der Zwilling hart, ließ das Leder jedoch los. »Ich höre ganz deutlich ein Aber in dem, was du stotterst!«
»Er ist nicht mehr aufgewacht. Sein Körper ist kalt wie Eis, und sein Herz schlägt so langsam, dass wir fürchten, es könne jeden Moment stehen bleiben.« Schnell machte er einen Schritt zurück und achtete darauf, aus der Reichweite des aufgebrachten Zwerges zu gelangen.
Ingrimmschs Brauen wurden zu einem durchgehenden Strich. »Wo ist er?«, wollte er leise wissen.
Xamtys sah über sein Fehlverhalten hinweg und wies den Zwerg aus ihrem Stamm an, den besorgten Boïndil zu seinem Bruder zu bringen, um einen heftigeren Ausbruch zu verhindern. Tungdil und Balyndis begleiteten den Krieger, während die Königin sich mit den Zwergen besprach, die ihr einen ersten Bericht über die Verluste gaben.
Die vier durchquerten schmucklose Korridore, deren Zweck einzig und allein in der Verbindung der Festung mit der Ausfallpforte lag. Da die Ersten für ihre Schmiedekunst und nicht wie die Zweiten für ihre Steinmetzarbeiten gerühmt wurden, hielten sie sich mit dem Verzieren eines Nebengangs nicht weiter auf.
»Das Beben hat schwere Schäden angerichtet«, berichtete der Zwerg, der sie führte, als sie nach den Geschehnissen fragten. »Wir nehmen an, dass es der gefallene Stern war. Aus seinem Schweif regneten glühende Bocken, die Eisenwart beinahe bis auf die Grundmauern beschädigt haben. Was sie nicht vollends eingerissen haben, hat der Weiße Tod vernichtet.«
»Wie viele von uns sind gestorben?«, wollte Balyndis wissen. »Wie steht es um den Clan der Eisenfinger?«
»Zu manchen Gebieten, die weiter westwärts und damit näher an der Einschlagstelle des Sterns liegen, gibt es keine Verbindung, aber deinem Clan geht es gut, soweit wir wissen.« Ihr Führer geleitete sie bis zu einem hölzernen Fahrstuhl, der ihnen das Erklimmen von vielen hundert Stufen ersparte; in ihm schossen sie in die Höhe und gelangten in den östlichen Teil der Festung. »Es ist gut, dass Xamtys wieder bei uns ist. Sie wird uns die Zuversicht geben, die viele von uns verloren haben. Mehr als vierhundert fanden bei dem Unglück den Tod.«
In diesem Teil der Festung sahen sie sogleich, was der Zwerg mit Schäden meinte. An einigen Stellen zeigten sich Risse in den Wänden, mal dünn wie ein Barthaar, mal so dick wie ein Zwergenfinger, und sogar die stabilen Stahlbrücken, die sich über Schluchten spannten, wiesen Verformungen auf.
»Eine Höhle ist vollständig eingebrochen, den Thronsaal mussten wir abstützen, sonst hätte die Decke die Schätze unter sich begraben«, erklärte er ihnen. »Es ist
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