Der Krieg der Zwerge
grimmigen Lächeln.
»Nur, wenn man dein Horn bis ins Graue Gebirge gehört hat«, erhielt er zur Antwort. Sie beugte sich zu ihm hinab und hob die Maske, damit er ihre Züge sah. Es war die vermeintliche Elbin, mit der er vor wenigen Stunden friedlich zusammen am Feuer gesessen hatte. »Dein Tod heißt Ondori. Ich nehme dir das Leben, wie dein Volk meinen Eltern das Leben nahm. Möge deine Seele für immer verloren sein und durch das Jenseits irren.« Die Klinge einer sichelförmigen Waffe blinkte silbrig im Licht der Nacht gestirne auf; feierlich sprach die Albin dunkle Silben. Der Zwerg ahnte, was sie bedeuteten, und betete zu Vraccas.
Noch ehe Bundror sein Flehen um gnädige Aufnahme in die Ewige Schmiede beendet hatte, zerschnitt ihm die Schneide die Kehle und den letzten spärlichen Rest seines dünnen Lebensfadens .
III
Das Geborgene Land, Rotes Gebirge, im Osten des Reichs der Ersten, 6234. Sonnenzyklus, Frühling
Tungdil beobachtete eingehend die in dicke Pelze gehüllte Herrscherin der Ersten. Xamtys saß widerwillig auf dem Ponyrücken und ließ die verschneiten Hänge des Roten Gebirges nicht mehr aus den Augen. Sie suchte ein Zeichen, irgendeinen Hinweis auf eine Gefahr, ein Unglück, das sich in ihrer Abwesenheit ereignet hatte und die Zwerge vom Stamm Borengar zum Schweigen verurteilte.
Die Berge ragten schneebedeckt in den Himmel; vereinzelt verschwanden Gipfel in den schnell dahinziehenden Nebelwolken, und dort, wo der zarte Schein der Frühlingssonne durch den Dunst stieß und einen Flecken ohne das Weiß fand, glommen die Wände feuerrot auf.
»Sie stehen noch, Königin Xamtys«, sagte Tungdil laut zu ihr. »Es ist ihnen nichts geschehen.«
Sie wandte sich um. »Ich werde Vraccas erst danken, wenn ich mein Reich mit eigenen Augen gesehen habe«, antwortete sie ihm mit Bedenken in der Stimme. »So, wie die Tunnel ausgesehen haben, kann das Beben nicht spurlos an uns vorübergegangen sein.«
Wegen der eingestürzten Stollen bewegte sich der gewaltige Zwergentross oberiridisch voran und benötigte etwa sechzig Sonnenumläufe, um die Strecke zu bewältigen. Zum einen erschwerte der Restschnee ihr Vorwärtskommen, zum anderen behinderten sie die auftauenden Straßen und Landstriche. Die Hufe der Ponys und ihre Stiefel versanken in dem zähen Brei und machten die Beine rasch müde. Tungdil, Balyndis und Boïndil waren an das Laufen auf schlechtem Untergrund zwar gewöhnt, aber die Mehrheit des Zuges nicht.
»Etwas stimmt nicht«, murmelte Ingrimmsch, der sich beharrlich geweigert hatte, wieder auf eines der kleinen Pferde zu steigen, und nun an Tungdils Seite lief. »Die Berge sehen zu friedlich aus, sie gaukeln uns vor, es wäre alles in Ordnung.« Mit lautem Platschen trat sein rechter Fuß in eine Pfütze; fluchend zog er ihn heraus und wischte ihn im grünenden Gras ab. »Ich will wieder einen steinernen Himmel über mir und steinernen Boden unter mir haben«, beschwerte er sich missgelaunt.
»Wir haben es ja bald geschafft, Boïndil.« Balyndis deutete auf den Eingang zu dem schmalen Tal, das sich wie eine Schlange auf einen der Berge zu wand. »Da ist die erste Pforte.«
Grauer Dunst zog auf, umwaberte sie und raubte ihnen die Sicht, je näher sie kamen, als wollte er sie vom Weg abbringen.
Tungdil erinnerte sich an die insgesamt fünf Mauern, die sich wie graue Eisenbolzen quer durch die Biegungen der Klamm schoben und Bollwerke gegen mögliche Angreifer bildeten. Erst dahinter erhob sich die prächtige Bastion des Stammes Borengar mit ihren neun gewalt igen Türmen.
»Ich kann nichts erkennen«, sagte er enttäuscht. »Ich hätte Eisenwart gern in ihrer vollen …« Er verstummte, als er auf dem Boden um sich herum zahlreiche Steinquader aus dem Nebel auftauchen sah. Einige wiesen Brandspuren auf, andere waren gesprungen oder zersplittert.
Xamtys zügelte ihr Pony, das schnaubend zum Stehen kam. »Vraccas sei uns gnädig«, rief sie laut und starrte auf die Reste der ersten Mauer. Einst hatte sie vierzig Schritt in die Höhe geragt. Ein eisernes, runenverziertes Tor hatte demjenigen ein Durchkommen erlaubt, der die Zwergenzeichen lesen und laut aussprechen konnte.
Beides stand nicht mehr.
Drei Schritte vor der Herrscherin tat sich der schwarze Rand eines Kraters auf. Was immer hier eingeschlagen war, es hatte große Teile der Mauer gesprengt und aus dem Tor ein mit brachialer Gewalt verbogenes, durch Hitze verformtes Stück Eisen gemacht.
»Welche Macht vermag so etwas anzurichten?«,
Weitere Kostenlose Bücher