Der Krieg der Zwerge
Klinge stieß herab und kappte den Lebensfaden der Frau. Der Kopf fiel polternd auf die Latten, Blut schoss in hohem Bogen aus dem Stumpf. Die Spritzer reichten bis zu den johlenden ersten Reihen der Bergensstädter, der Torso der Frau zuckte einige Male und rutschte dann seitlich vom Holzklotz.
Der schwarz gekleidete Zwerg schnitt die Haare ab, um den Kopf von der Haltestange zu lösen und ihn der Menge zu zeigen. Die Waffe hatte die Wirbel samt Haut, Sehnen und Muskeln glatt durchtrennt. Der Zwerg beherrschte das Scharfrichterhandwerk meisterlich.
»Mach, dass du fortkommst«, wurde Tungdil vom Truk leise angegiftet.
Tungdil ließ es sich nicht zweimal sagen und stieg vom Podest, um etwas abseits des Platzes auf den Zwerg zu warten, den der Mensch Bramdal genannt hatte. Die Münzen gab er dem Beamten nicht zurück. Schließlich war es Gold.
Die Bürger jubelten in unregelmäßigen Abständen noch sieben Mal nacheinander auf, dann setzte heitere Musik ein. Die Menschen lachten, feierten und tanzten unbeschwert, während die abgetrennten Häupter an den Fahnenmasten neben der Hinrichtungsbühne emporgezogen wurden.
Es dauerte nicht lange, und der Zwerg gesellte sich zu ihm. Tungdils Blicke wanderten an ihm hinab. An einigen Stellen der Rüstung und den Stiefeln haftete das Blut der Exekutierten, ansonsten war es dem Henker gelungen, von größeren Flecken verschont zu bleiben. Die Maske baumelte an seinem Gürtel.
»Ulkige Geschichte. Hätte niemals gedacht, dass man mich eines Sonnenumlaufs mit einem anderen Zwerg verwechselt«, gestand er ihm. »Ich bin Bramdal Meisterklinge«, stellte er sich vor und wartete auf eine Erwiderung.
Tungdil musterte die Züge des Zwergs, der einem grausamen Handwerk nachging. Er musste etliche Zyklen älter sein als er. Die hellbraunen Augen wirkten trotz seiner Tätigkeit und den zahlreichen Toden, die sie sehen mussten, keinesfalls bekümmert oder traurig.
Tungdil räusperte sich. »Warum verdienst du auf diese Art dein Geld?«, fragte er und deutete mit dem rechten Arm auf die Masten, wo die Köpfe im Wind pendelten.
»Was gibt es daran auszusetzen? Es ist ein Handwerk wie Schmieden oder Backen. Komm«, meinte Bramdal freundlich, der seine hellblonden Haare unter einem schwarzen Kopftuch zusammengefasst hatte. Den Bart hatte er ausrasiert; erst auf Höhe des Kinns und rund um den Mund sprossen die Haare. »Wir unterhalten uns, wo es weniger laut ist.«
Sie gingen durch die Gassen.
»Welchem Stamm gehörst du an, Tungdil Goldhand?«, begann der Zwerg unterwegs das Gespräch. Er redete mit weicher, sanfter Stimme. »Was gibt es Neues aus deinem Reich? Man begegnet selten einzelnen unseres Volkes, und wie ein Händler siehst du nicht aus. Oder bist du ein Ausgestoßener auf Wanderschaft?«
»Bist du denn ein Ausgestoßener?« Tungdil schätzte sich nun doch glücklich, dem Henker begegnet zu sein. Ließ er die unangenehmen Umstände beiseite, eröffnete sich mit ihm nun eine Möglichkeit, die Geisterzwerge schneller zu finden.
Er lachte. »Ja und nein. Ich habe ein neues Zuhause, abseits der Stämme. Abseits von denen, die mich verstießen, weil ich mich den Regeln nicht beugen wollte. Ich lud absichtlich Schuld auf mich und wählte die Verbannung.« Er spielte mit den geflochtenen Bartsträhnen. »Ich kehre nicht mehr zurück. Und du?«
Zuerst hatte Tungdil dem anderen alles erklären wollen und welche Mission ihn durch eine glückliche Fügung nach Bergensstadt führte, aber dann entschied er, dass es besser wäre, Bramdal in dem Glauben zu lassen, ihn habe das gleiche Los getroffen. »Ich liebe eine Zwergin, die den Bund mit einem anderen eingehen wollte, obwohl ihr Herz für mich schlägt. Ich habe ihn im Streit erschlagen.« Es fiel ihm leicht, so zu tun, als stimmte das, was er behauptete. Zu leicht. Hastig schaute er weg.
Der Henker nickte. »Wieder zeigt sich, dass nicht alle Gesetze unseres Volkes einen Sinn ergeben. Gelegentlich müssen sich Dinge ändern.« Er beobachtete Tungdil eingehend. »Was würdest du sagen, wenn ich dir von einem Ort erzähle, an dem Clanbestimmungen und Familieneide nichts gelten?«
Er hielt vor der Tür eines Gasthauses an, öffnete sie und ließ Tungdil den Vortritt; so gab er ihm Gelegenheit, über die Worte nachzudenken. Sie nahmen neben dem Kamin Platz, der Scharfrichter bestellte zwei Biere.
»Es gibt diesen Ort tatsächlich?«, hakte Tungdil nach, sobald er einen kräftigen Schluck Bier genommen hatte.
Bramdal nickte. »Ja, Tungdil Goldhand.
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