Der Krieg der Zwerge
des Kettenhemds an, ein dritter bediente die Griffe. Klackend durchtrennten die kurzen, starken Schneiden des Werkzeugs Kettenglied um Kettenglied, als bestünden die Ringe aus Holz und nicht aus Eisen; schließlich klappten die Hälften einfach auseinander. Mit einem scharfen Messer zerschnitten die Zwerge das Ledergewand um die Pfeilstummel herum und öffneten es.
»Schauen wir, was die Albae dir angetan haben«, erklang die Stimme wieder, dann schob sich die dazugehörige schneeweiße Zwergin in Tungdils Blickfeld.
Ihr wunderschöner Anblick zerschmetterte die Gedanken an Balyndis wie ein Hammerschlag und ließ sie in hunderte kleine Stückchen zerplat zen. Er war sich sicher, noch niemals im Leben eine so hübsche Zwergenfrau gesehen zu haben.
»Ich bin Myrmianda«, stellte sie sich vor. Die roten Augen musterten ihn freundlich und wanderten über die nackte Brust zu den Wunden. Über ihrem dunkelbraunen Kleid trug sie eine Lederschürze, ein Reif aus Gold lag um ihre Stirn und hielt die weißen Haare zurück. »Ich bin Chirurga, du bist bei mir in guten Händen, würden andere sagen. So musst du dich darauf verlassen, dass ich die Wahrheit spreche.«
Sie beugte sich über ihn, und ihre für eine Zwergin sehr feingliedrigen Hände betasteten die Stellen rund um die Wunden. Tungdil sog ihren Geruch ein. Rein, frisch … nicht ein Hauch von Schweiß oder Kohlefeuer umwehte sie, und er nahm den Duft von Kräutern wahr.
»Nichts verhärtet, keine Verfärbungen. Du hattest den Segen Vraccas' mit dir.« Sie richtete sich auf und machte ein Handzeichen. Ihre Helfer schoben seinen Oberkörper in die Höhe, zogen ihm das Kettenhemd aus und schlitzten den hinteren Teil des Ledergewandes auf. »Die Albae benutzen Pfeile mit aufgesteckten Spitzen. Das bedeutet, dass ich die Pfeile nicht einfach herausziehen kann, sonst würden die Spitzen in deinem Körper bleiben. Ich muss sie auf der anderen Seite herausdrücken.«
Als ihr letztes Wort noch nicht verklungen war, hob sie schnell den Arm, Zeige und Mittelfinger legten sich auf die Pfeilreste und drückten.
Tungdil biss die Zähne zusammen, dass es laut in seinen Ohren knirschte. Sie schien ihm glühende Stahldrähte durch die Schulter und die Brust zu treiben. Ihre andere Hand nahm die austretenden Spitzen in Empfang und zog sie mit einem Ruck aus dem Fleisch.
»Sehr tapfer«, lobte sie ihn, warf die Spitzen in eine kleine Schüssel mit Wasser und wusch sich ihre von seinem Blut gefärbten Hände darin. Dann nahm sie dicke, feuchte Moosplatten aus einer Schale, legte sie auf die offenen Wunden und legte ihm mit dem Beistand eines Helfers einen Verband an. »Das Blaumoos stillt die Blutung. In ein paar Stunden wechseln wir es gegen frisches aus, und morgen wirst du keine Schmerzen mehr haben.« Sie mischte ein Pulver in einen Becher und reichte ihn dem Zwerg. »Trink das. Es gibt dir Kraft und treibt den Dreck aus der Wunde.«
»Bei Vraccas! Ich habe noch nie einen Heiler jemanden so schnell behandeln sehen«, entfuhr es Boïndil anerkennend, der sich fast wünschte, ebenfalls verletzt zu sein, um die Kunst der Chirurga in Anspruch nehmen zu können.
Sie nickte ihm zu. »Danke. Ich betreibe das Wundgeschäft lange genug.«
Tungdil war nicht im Stande, die Augen von ihr zu wenden. Sie war das Gegenteil von Balyndis, sprach ein klares Zwergisch mit Einschlägen der Hochsprache und hatte vermutlich eine außerordentliche Bildung genossen; das zumindest unterstellte er ihr wegen ihres nicht allzu breiten Körperbaus. Die Schmiedin war fast doppelt so kräftig, die Arbeit an Amboss und Esse verlangten mehr Muskeln als das, was eine Chirurga tat.
Rasch leerte er den Becher. »Ich bin Tungdil Goldhand«, sagte er, sobald er seine lähmende Faszination abgeschüttelt hatte. »Das ist Boïndil Zweiklinge aus dem Clan der Axtschwinger vom Stamme Beroïns.«
Sie trocknete sich die Hände an einem Tuch ab und legte es auf den Beistelltisch. »Es freut mich, den Helden des Schwarzjochs kennen zu lernen«, antwortete sie mit einer leichten Verbeugung. »Es ist unwahrscheinlich, dass du deswegen von deinem Stamm ausgestoßen wurdest, weil du Nôd'onn vernichtet hast. Also nehme ich an, es ist ein Zufall, dass du in unser Reich gekommen bist? Seid ihr im Kampf gegen die Albae in den Weiher gestürzt ?«
»Versteh es nicht falsch, Myrmianda, doch das besprechen wir besser mit deinem König«, sagte Tungdil, obgleich er sich unwohl dabei fühlte, der Zwergin, die ihm zwei Pfeilspitzen aus dem
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