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Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)

Titel: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swetlana Alexijewitsch
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mich.
    Ich antwortete seelenruhig: ›Schreiben Sie von mir aus eine Meldung an den Stab, Genosse Oberst. Das ist Ihre Sache. Aber ich muss für Disziplin sorgen. Bei mir herrscht Ordnung.‹
    Damit fuhren sie wieder weg.
    Es herrschte strenge Disziplin. Einmal traf ich einen Hauptmann – er lief an meinem Haus vorbei, und ich kam gerade heraus. Er blieb stehen: ›Mein Gott! Da kommen Sie raus – wissen Sie denn, wer da wohnt?‹
    ›Ja.‹
    ›Hier wohnt die Politstellvertreterin. Wissen Sie, wie streng die ist?‹
    Ich darauf: das hätte ich noch nie gehört.
    ›Mein Gott! Sie lächelt nie, sie ist eine ganz Scharfe.‹
    ›Möchten Sie sie kennenlernen?‹
    ›Um Gottes willen! Nein!‹
    Na, da gab ich mich zu erkennen: ›Also, machen wir uns bekannt, ich bin die Politstellvertreterin!‹
    ›Das kann nicht sein! Ich habe gehört, sie ist ...‹
    Ich beschützte meine Mädchen. Wir hatten bei uns so eine Hübsche, Valja. Einmal musste ich für zehn Tage zum Stab. Als ich zurückkomme, erfahre ich, Valja ist die ganze Zeit jeden Abend spät gekommen, sie war mit einem Hauptmann zusammen. Na schön, war sie eben, die Sache war vorbei. Zwei Monate vergehen, und ich erfahre: Valja ist schwanger. Ich bestelle sie zu mir: ›Wie konnte das passieren? Wo willst du denn nun hin? Deine Stiefmutter (sie hatte keine Mutter mehr, nur eine Stiefmutter) wohnt in einer Erdhütte.‹ Sie weint: ›Sie sind schuld, wären Sie nicht weggefahren, wäre nichts passiert.‹ Ich war für sie wie eine Mutter oder eine ältere Schwester.
    Sie besaß nur ein leichtes Mäntelchen, aber es war schon kalt, und ich gab ihr meinen Uniformmantel. So verließ uns meine Valja ...
    Der achte März fünfundvierzig. Wir sitzen zusammen und feiern. Trinken Tee. Haben sogar irgendwoher Konfekt besorgt. Dann gehen meine Mädchen hinaus, auf einmal sehen sie: Aus dem Wald kommen zwei Deutsche. Schleifen ihre MP hinter sich her ... Verwundete ... Meine Mädchen umzingeln sie. Na, und ich als Politstellvertreter schreibe natürlich in den Tagesrapport: Heute, am achten März, haben meine Mädchen zwei Deutsche gefangen genommen.
    Am nächsten Tag war Sitzung der Kommandeure, und der Chef der Politabteilung verkündete als Erstes: ›Nun, Genossen, ich habe eine freudige Mitteilung für euch: Der Krieg ist bald aus. Gestern haben die Wäscherinnen der ersten Wäscherei-Abteilung zwei Deutsche gefangen genommen ...‹
    Alle klatschten ...
    Während des Krieges bekamen wir keine Auszeichnungen, aber als er vorbei war, sagte man zu mir: ›Sie können zwei Leute auszeichnen.‹ Ich war empört. Ich ergriff das Wort, erklärte, ich sei Politstellvertreter der Wäscherei und wie schwer die Arbeit der Wäscherinnen sei, dass viele von ihnen sich einen Leistenbruch geholt hätten, Ekzeme an den Händen und so weiter, das seien alles junge Mädchen, und sie hätten geschuftet wie Maschinen, wie Schwerarbeiter. Ich wurde gefragt: ›Können Sie bis morgen Vorschläge einreichen? Wir zeichnen mehr aus.‹ Anschließend saßen der Kommandeur und ich die ganze Nacht über den Listen. Viele Mädchen bekamen die Medaillen ›Für Tapferkeit‹, ›Für militärische Verdienste‹, eine sogar den Rotbannerorden. Die allerbeste Wäscherin, sie stand ununterbrochen am Waschtrog. Selbst wenn sie schon keine Kraft mehr hatte, wusch sie immer noch weiter. Das war eine ältere Frau ...
    Als ich meine Mädchen nach Hause entlassen musste, wollte ich ihnen etwas mitgeben. Sie stammten sämtlich aus der Ukraine und aus Weißrussland, und dort war ja alles kaputt, zerstört. Wie konnte ich sie da mit leeren Händen wegschicken? Wir waren in einem deutschen Dorf stationiert, dort gab es eine Schneiderwerkstatt. Ich ging hin und sah sie mir an: Die Nähmaschinen standen noch da, zu meinem Glück alle unversehrt. Und so überreichten wir jedem Mädchen, das nach Hause fuhr, ein Geschenk. Das war alles, was ich für meine Mädchen tun konnte.
    Alle wollten nach Hause, aber sie hatten auch Angst davor. Niemand wusste, was uns dort erwartete ...«
    Valentina Kusminitschna Brattschikowa-Borschtschewskaja ,
    Leutnant, Politstellvertreterin einer Feldwäscherei
    »Bei Woronesh wurden die deutschen Truppen gestoppt. Sie konnten die Stadt lange nicht einnehmen, sie bombardierten sie unablässig. Die Bomber flogen über unser Dorf Moskowka. Den Feind hatte ich noch nicht gesehen, nur seine Flugzeuge. Aber ich erfuhr sehr bald, was Krieg bedeutet ...
    Unserem Lazarett wurde gemeldet,

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