Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
zu lachen ... Meine Seele war erstarrt ...«
Jelena Iwanowna Babina ,
Angehörige des kasernierten Wachschutzes
Von verschmorten Kugellagern und russischen Flüchen
»Ich komme ganz nach meinem Vater ... Ich bin seine Tochter ...
Mein Vater Miron Lenkow ist im Bürgerkrieg vom Analphabeten zum Zugführer geworden. Er war ein echter Kommunist. Als er starb, blieben Mutter und ich in Leningrad wohnen, alles Beste in mir verdanke ich dieser Stadt. Meine Leidenschaftwaren die Bücher. Ich heulte über den Romanen von Lidija Tscharskaja, verschlang Turgenjew. Liebte Gedichte ...
Im Sommer einundvierzig, Ende Juni, fuhren wir zu Großmutter an den Don. Der Krieg überraschte uns unterwegs. Über die Steppe ritten – in scharfem Galopp – Boten mit Einberufungsbefehlen. Singend, trinkend und schluchzend verabschiedeten die Kosakenfrauen ihre Männer in den Krieg. Ich ging in Bokowskaja ins Bezirkswehrkomitee. Man sagte mir kurz und knapp: ›Kinder nehmen wir nicht für die Front. Du bist Komsomolzin? Sehr schön. Dann hilf im Kolchos.‹
Wir wendeten das Getreide in den Mieten, damit es nicht verbrannte. Dann ernteten wir Gemüse. Die Blasen an den Händen wurden bald hart, die Lippen sprangen auf, das Gesichtwar von der Steppensonne verbrannt. Von den Steppenmädchen unterschied mich nur noch, dass ich viele Gedichte kannte, die ich den ganzen langen Heimweg vom Feld zitierte.
Doch der Krieg kam immer näher. Am siebzehnten Oktober besetzten die Faschisten Taganrog. Die Menschen gingen in die Evakuierung. Großmutter blieb, schickte aber meine Schwester und mich fort: ›Ihr seid noch jung. Rettet euch.‹ Wir liefen fünf Tage bis zur Bahnstation Obliwskaja. Die Sandalen konnten wir wegwerfen, wir kamen barfuß an. Der Bahnvorsteher sagte: ›Wartet nicht erst auf geschlossene Waggons, setzt euch auf die Ladefläche. Wir kuppeln gleich eine Lok an und schicken euch nach Stalingrad.‹ Wir hatten Glück – wir kletterten in einen Waggon mit Hafer. Wir steckten die nackten Füße in das Getreide, deckten uns mit einem Tuch zu ... Eng aneinandergeschmiegt, schliefen wir ein ... Unser Brot war längst alle, der Honig auch. In den letzten Tagen hatten Kosakenfrauen uns durchgefüttert. Wir genierten uns, etwas anzunehmen, wir konnten es ja nicht bezahlen, aber sie redeten uns zu: ›Esst nur, ihr Armen. Allen geht es jetzt schlecht, da müssen wir uns gegenseitig helfen.‹ Ich habe mir geschworen, diese menschliche Güte nie zu vergessen. Niemals! Auf keinen Fall! Und das habe ich auch nicht.
Aus Stalingrad ging es weiter mit einem Dampfer, dann wieder mit dem Zug; um zwei Uhr nachts erreichten wir die Bahnstation Medwedizkoje. Die Menschenwelle spülte uns hinaus auf den Bahnsteig. Steifgefroren wie Eiszapfen, konnten wir uns nicht bewegen, wir standen da und stützten uns gegenseitig, um nicht umzufallen. Um nicht in Eissplitter zu zerfallen, wie ich es einmal bei einer Kröte gesehen hatte, die aus flüssigem Sauerstoff genommen und auf den Boden geworfen wurde. Zum Glück erinnerte sich jemand, der mit uns im Zug gesessen hatte, an uns. Ein überfüllter Pferdewagen hielt neben uns, wir wurden hinten angebunden. Bekamen Wattejacken angezogen. Sie sagten: ›Ihr müsst laufen, sonst erfriert ihr. Sonst werdet ihr nicht warm. Ihr dürft nicht fahren.‹ Erst fielen wir dauernd hin, aber dann rannten wir. Ganze sechzehn Kilometer ...
Das Dorf Frank – Kolchos ›1. Mai‹. Der Kolchosvorsitzende freute sich sehr, als er erfuhr, dass ich schon neun Klassen absolviert hatte.
›Sehr schön. Du wirst mir hier helfen. Als Buchhalterin.‹
Im ersten Moment freute ich mich sogar. Aber dann sah ich hinter dem Vorsitzenden ein Plakat hängen: ›Mädchen, ans Lenkrad!‹
›Ich werde nicht im Büro sitzen‹, sagte ich. ›Wenn man es mir beibringt, kann ich Traktor fahren.‹
Die Traktoren waren völlig eingeschneit. Wir buddelten sie aus und bauten sie auseinander; wir verbrannten uns die Hände am Metall, Hautfetzen blieben daran hängen. Die durchgerosteten, fest angezogenen Bolzen und Schrauben waren wie festgeschweißt. Wenn es nicht gelang, sie gegen den Uhrzeigersinn zu lösen, drehten wir in die andere Richtung. Und ausgerechnet ... Genau in dem Moment ... Wie aus dem Erdboden gestampft, stand plötzlich der Brigadier Iwan Iwanowitsch Nikitin vor uns, der einzige richtige Traktorist, unser Ausbilder. Er griff sich an den Kopf und konnte sich das Fluchen nicht verkneifen. Ach, du! Verdammte ... Sein
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