Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
Kolchos. Der Vorsitzende des Dorfsowjets rief mich zu sich: ›Ich denke die ganze Zeit an dich, Mädchen.‹
Ich verwundert: ›Was denken Sie denn, Onkel?‹
›Wenn dieses verdammte Holzbein nicht wäre! Bloß wegen diesem verdammten Holzbein ...‹
Ich verstand kein Wort. Er sagte: ›Es ist ein Papier gekommen, ich muss zwei Leute an die Front schicken, aber ich habe keinen. Ich würde ja selber gehen, aber dieses verdammte Holzbein ... Und dich darf ich nicht schicken, du bist eine Evakuierte. Aber vielleicht gehst du ja doch? Ich hab nur zwei Mädchen: dich und Maria Utkina.‹
Maria war groß und kräftig, ich dagegen nicht. Ich war so mittel ...
›Gehst du?‹
›Krieg ich da auch Gamaschen?‹
Wir waren völlig zerlumpt – was hatten wir schon groß mitnehmen können!
›Du bist so hübsch, dir geben sie da sogar Schuhe.‹
Also willigte ich ein.
Wir stiegen aus dem Zug, ein Mann wollte uns abholen, ein großer, schnurrbärtiger, aber keiner ging mit ihm. Ich weiß nicht, warum, ich habe nicht danach gefragt, ich war nicht vorlaut, hab mich nie vorgedrängt. Der Mann gefiel uns nicht. Dann kam ein schöner Offizier. Ein Bild von einem Mann! Er überredete uns, und wir fuhren mit. Wir kamen bei der Truppe an, und da war der Schnauzbart, er lachte: ›Na, ihr Stupsnasen, mit mir wolltet ihr ja nicht mitkommen!‹
Der Major rief uns einzeln auf und fragte jede: ›Was kannst du?‹
Die eine sagte: ›Kühe melken‹, die Nächste: ›Zu Hause hab ich immer Kartoffeln gekocht, Mama geholfen.‹
Dann war ich dran: ›Und du?‹
›Ich kann Wäsche waschen.‹
›Ich sehe, du bist ein gutes Mädchen. Wenn du noch kochen könntest ...‹
›Kann ich.‹
Den ganzen Tag kochte ich Essen, und wenn ich nachts zurückkam, musste ich für die Soldaten Wäsche waschen. Einmal stand ich Posten. Jemand rief: ›Wachposten! Wachposten!‹, aber ich konnte nicht antworten – so erschöpft war ich.«
Irina Nikolajewna Sinina ,Soldatin, Köchin
»Ich fuhr im Sanitätszug ... Ich weiß noch, die erste Woche habe ich durchgeweint: erstens, weil ich nun ohne Mama war, und zweitens, weil ich auf der obersten Pritsche lag, wo man heute das Gepäck ablegt. Das war nun mein ›Zimmer‹.«
»Wie alt waren Sie, als Sie an die Front gingen?«
»Ich war in der achten Klasse, die hab ich aber nicht ganz zu Ende gemacht. Ich bin weggelaufen, an die Front. Alle Mädchen im Sanitätszug waren in meinem Alter.«
»Worin bestand Ihre Arbeit?«
»Wir pflegten Verwundete – füttern, zu trinken geben, Bettgeschirre leeren –, das war alles unsere Aufgabe. Mit mir zusammen war ein älteres Mädchen, die schonte mich anfangs. ›Wenn sie eine Ente verlangen, dann ruf mich.‹ Es waren Schwerverwundete: dem einen fehlte ein Arm, dem anderen ein Bein. Am ersten Tag holte ich sie jedes Mal, aber dann – sie konnte ja nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht bei mir sein – war ich allein. Ein Verwundeter rief nach mir: ›Schwester, die Ente!‹ Ich halte ihm die Ente hin, aber er nimmt sie nicht. Ich sehe: Er hat keine Arme. Irgendwie schoss mir dann etwas durch den Kopf, irgendwie wusste ich plötzlich, was zu tun war, aber ein paar Minuten stand ich da und wusste nicht, was jetzt. Verstehen Sie? Ich musste ihm helfen ... Und ich hatte doch keine Ahnung, ich hatte das noch nie gesehen. Das hatte man uns nicht einmal beim Lehrgang beigebracht ...«
Swetlana Nikolajewna Ljubitsch ,Sanitätshelferin
»Ich habe nicht geschossen ... Ich habe für die Soldaten Essen gekocht. Dafür habe ich eine Medaille bekommen. Daran denke ich nie. Ich habe doch gar nicht gekämpft. Ich habe Brei und Suppe gekocht für die Soldaten. Habe Kessel und Wassertanks geschleppt. Die waren sauschwer ... Ich weiß noch, der Kommandeur hat oft geschimpft: ›Am liebsten würde ich Löcher in diese Tanks schießen ... Wie sollst du nach dem Krieg Kinder kriegen?‹ Und eines Tages hat er tatsächlich alle Wassertanks durchlöchert. Dann mussten wir in einem Dorf kleinere suchen.
Die Soldaten von der vordersten Linie kamen zum Ausruhen. Die Ärmsten waren alle ganz schmutzig, erschöpft, hatten sich Füße und Hände erfroren. Besonders die Usbeken und Tadschiken hatten Angst vor Frost. Bei ihnen scheint doch immer die Sonne, da ist es warm, und hier waren vierzig Grad Kälte. Sie wurden gar nicht warm, also haben wir sie gefüttert. Sie konnten den Löffel nicht selber halten ...«
Alexandra Semjonowna Massakowskaja , Soldatin, Köchin
»Ich
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