Der Krieger und der Prinz
nicht.
Er brauchte Geld. Er konnte sich den Zusammenbruch des Handels nicht erlauben.
Wie die Dinge lagen, würde er die Steuern für die Bauern erhöhen müssen – ein unbeliebter Schritt im Winter und wahrscheinlich ein sehr unkluger. Er würde von Glück sagen können, wenn er seinen Bauern weitere drei Pennys pro Schaf abringen konnte; die Hälfte von ihnen würde wahrscheinlich ihre Tiere schlachten und das Fleisch einpökeln, bevor sie die zusätzliche Steuer entrichteten. Wenn er noch mehr von ihnen nahm, würden die Bauern rebellieren, falls sie nicht zuvor verhungerten. So oder so würde es ein schnelles und unrühmliches Ende für Leferics Herrschaft bedeuten.
Unter solchen Umständen konnte er kaum einen Gedanken für Reinberns Trauer erübrigen. Es war nicht so, dass es seinem Brief an Nachdruck mangelte; der Mann würde niemals ein Poet werden, aber seine schroffen, rauen Worte trafen härter als die sorgfältig komponierten Klagelieder von hundert Sängern. Leferic konnte es sich einfach nur nicht leisten, einen Gedanken daran zu verschwenden. Der Befehl war erteilt; die Frau war tot. Kein noch so inbrünstiges Gebet oder Gejammer würde daran etwas ändern. Jetzt konnte er nur noch zähneknirschend den besten Weg einschlagen, der ihm an diesem Punkt blieb.
Ihr wäret klug beraten, das Gleiche zu tun, hätte Leferic den trauernden Kaufmann gern angeknurrt. Ihr wolltet, dass sie eine Lady wurde. Ihr musstet wissen, dass das Teil des Spiels war. Aller Adel ist auf Blut errichtet.
Doch er warf den Brief nicht beiseite. Stattdessen las er ihn abermals und meißelte jedes Wort von Reinberns Unglück in seine Seele. Es war eine Art Buße, und es war eine Lektion. Es lag in keines Mannes Macht, die Vergangenheit zu ändern, aber die Zukunft ließ sich ändern, und Leferic wollte sich einprägen, welcher Preis für Mord zu zahlen war, bevor er das nächste Mal wieder darauf zurückgriff. Die dadurch entfachten Gefühle waren zu explosiv. Zu heftig. Leichtfertig eingesetzt, würden sie ein Königreich in Stücke reißen, und er wollte doch eines aufbauen.
Der letzte seiner Briefe machte ihm in dieser Hinsicht jedoch ein wenig Hoffnung.
Eine silberne Dame, hatte Albric geschrieben, mit mangelhafter Grammatik, zu verdanken den Beschränkungen seiner maskierten Botschaft, spielt falsches Spiel mit uns. Ich kenne ihre Motive nicht, noch ihr wahres Ziel, aber es ist ihr offenkundig nicht darum zu tun, ihren Auftrag zu erledigen. Um das Kind hätte sie sich inzwischen bereits kümmern können, doch sie zögert die Angelegenheit hinaus und begeht Fehler, die keine Zufälle sind. Keine Barmherzigkeit. Sie will etwas anderes.
Wir sind in Tarnebrück. Ein Bäcker, der Beistand geleistet hat, ist tot. Fragen zuerst. Wir sind nahe dran. Ich werde die Pflicht erfüllen, ob mit ihrer Hilfe oder ohne sie.
Noch lange, nachdem er mit der Lektüre fertig war, starrte Leferic blicklos auf das Sendschreiben. Dann schob er es in eine Kerzenflamme, ließ es zu Asche verkohlen und zerrieb die Asche zu Staub. Er schüttete Wasser in die Asche, machte einen Brei daraus und leerte ihn in die Erde eines Zwergheliotrops, das am Fenster wuchs. Das süß duftende Kraut, das Celestia geweiht war, sollte Glück bringen, wo immer es blühte, aber von diesem Glück kam anscheinend herzlich wenig bei ihm an.
Was konnte die Verstümmelte Hexe wollen? Sie hatte ihren Preis in Silber genannt, und er hatte die volle Summe bezahlt, als er den Vertrag mit ihr abschloss, wohl wissend, dass man mit den Dornen von Ang’arta nicht feilschen konnte. Damals hatte er den Preis für überraschend niedrig gehalten; Cadarns Männer kosteten ihn das Doppelte. Aber das war eine ganze Kompanie weißer Wölfe, unter Vertrag genommen für einen vollen Winter, während die Dornenlady eine einzige Frau war, die nur eine einzige Aufgabe erfüllen sollte. Leferic hatte sich eingeredet, dass der Preis günstiger sei, als er gedacht hatte. Wie sollten die Dornen schließlich Geld verdienen, wenn sie ihre Preise so hoch ansetzten, dass niemand sie bezahlen konnte?
Jetzt fragte er sich, ob nicht sein erster Instinkt richtig gewesen war. Sie war zu billig. Aber warum? Ang’arta hatte keine Interessen am Seivern. Für sie bedeutete es keinen Unterschied, ob Galefrid oder Leferic oder ein dreibeiniger Hund auf dem Thron von Bullenmark saß.
Inagliones Weisheit half ihm hier nicht weiter. Er hatte keine Ahnung, was die Dornenlady wollte oder was sie fürchtete,
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