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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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nicht. Falls da ein Ziel war, vermochte er es nicht zu erkennen.
    »In der Dunkelheit?«
    »So dunkel ist die Nacht nicht für mich.« Ulvrars Augen leuchteten, grün und golden und dann wieder grün. Sein schwaches Lächeln schien sich über Leferics Unbehagen lustig zu machen.
    »Wegen des … Wildbluts.« Leferic suchte nach dem richtigen Wort.
    »Genau deswegen.« Der Nordländer setzte sich in die Lücke zwischen zwei Mauerzacken, den Rücken dem Himmel zugewandt. »Wäre ich kein Feigling gewesen, hätte ich mehr tun können – ich hätte meilenweit laufen können, ohne zu ermüden, ich hätte an den nächtlichen Gesängen eines Rudels teilnehmen und sogar selbst die Gestalt eines Wolfs annehmen können. Eure Legenden von den Gestaltwandlern handeln von uns, Lord Leferic. Habt Ihr das gewusst? Wir sind die Ungeheuer aus Euren Geschichten. Aber ich war ein Feigling, also bin ich hier im Süden, und ich kann kein Wolf werden. Ich kann nur sehen wie einer. Und riechen. Ihr habt Angst. Ich kann es riechen.« Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen, das seine glitzernden scharfen Zähne zeigte. »Ihr habt hoffentlich keine Angst vor mir.«
    »Nein, nicht vor dir«, sagte Leferic, obwohl er sich fragte, inwieweit er sich damit zum Narren machte.
    »Wovor fürchtet Ihr Euch dann?«
    »Davor, meine Leute zu enttäuschen.«
    Der narbenbedeckte junge Mann stieß einen unverständlichen Laut aus. »Davor habe ich mich früher auch gefürchtet.«
    Leferics Lippen zuckten, und er lächelte halb. »Was ist geschehen?«
    »Ich bin davongelaufen.« Ulvrar zuckte die Achseln. »Ich beneide Euch nicht, Lord Leferic, und Ihr seid ein Herrscher, wo ich nur ein Krieger war, der zum Wildblut wurde, daher ist es für Euch schlimmer.«
    »Vielleicht.« Leferic verspürte nicht den Wunsch, näher auf seine Probleme einzugehen, und diese unerwartete Begegnung war eine weitere Gelegenheit, die Fragen zu stellen, die er auf der Straße nicht hatte stellen können. »Warum seid ihr überhaupt alle hier? Auf dem Ritt nach Kleinwald hast du mir erzählt, ihr wäret alle Verbannte.«
    »Das sind wir auch.«
    »Warum?«
    Ulvrar kniff seine unnatürlich hellen Augen zusammen, aber im nächsten Moment zuckte er abermals mit den Achseln. »Bei den meisten weiß ich es nicht, im Gegensatz zu Cardan. Er hört sich immer die Geschichte des Verbannten an, bevor er ihn in seine Kompanie aufnimmt. Ansonsten erlaubt er uns jedoch, unsere Schande für uns zu behalten. Seine eigene Geschichte ist uns allen bekannt: Er hat einen Mann getötet und sich geweigert, den Blutpreis zu entrichten, daher haben die Thane ihn ausgestoßen. Seither hat er es viele Male getan. Cardan, der Schuldner des Todes, ist viel Blutgeld schuldig geblieben, das er niemals zahlen wird. Aber die Männer, die er tötet, sind zum größten Teil keine würdigen Männer und verdienen den Blutpreis nicht, daher ist es kein richtiges Verbrechen.«
    »Wer war der Erste?«, fragte Leferic, neugierig darauf, wessen Tod Cardan veranlasst haben mochte, sein Volk und sein Heimatland zu verlassen.
    »Ein Krieger von den Feirgrei der Gespaltenen Tanne. Cardan ist – war – Skarlar der Gespaltenen Tanne. Unterschiedliche Clans, aber dicht beieinanderliegende Festen. Manchmal schicken sie zusammen Plünderer aus. Bei einem Raubzug haben sie eine Stadt der Sommerländer angegriffen. Viele Frauen und Alte versteckten sich in ihrer Kapelle und hofften, dass ihre Göttin sie besser beschützen würde als ihre Männer. Cardan führte an jenem Tag die Skarlar an. Er befahl seinen Kriegern, sich nicht mit der Kapelle aufzuhalten. Es liegt keine Ehre darin, Frauen und Schwache zu töten, und die Häuser bargen ohnehin mehr Beute, als sie nach Hause tragen konnten, daher brauchten sie die Kapelle nicht. Aber Garrok, der Anführer der Feirgrei, war anderer Meinung. Er steckte die Kapelle in Brand. Seine Männer vergewaltigten die Frauen, töteten die Graubärte, die herauskamen, und überließen den Rest den Flammen. Also wurde Cardan wütend und forderte Garrok heraus, und Garrok starb.«
    »Ich dachte, nur Morde rechtfertigten einen Blutpreis. Kein Tod im Zweikampf.«
    Ulvrar sah ihn starr an. »Wenn Cardan einen Mann herausfordert, stirbt er. Alle Männer wissen das. Garrok wusste es. Zu seiner Ehre sei gesagt, dass er sich gut gehalten hat. Aber die Thane der Feirgrei der Gespaltenen Tanne verlangten einen Blutpreis, also musste der Blutpreis entrichtet werden, ansonsten hätte es Krieg zwischen den

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