Der Krieger und der Prinz
Clans gegeben. Cardan sagte, ein Mann, der Frauen und Schwächlinge verbrennt, wäre kein echter Mann, also spuckte er auf Garroks Namen und wählte die Verbannung.«
»Ich verstehe«, sagte Leferic, obwohl ihm das Ganze so klar erschien wie Schlamm. »Und was ist mit dir?«
»Bei mir waren es die Skraeli.«
»Die Skraeli?«
»Ist das nicht einer eurer Namen für uns? Skar Skraeli: Töter der Toten.«
»Ich habe den Namen schon gehört«, gab Leferic zu, »aber ich habe keine Ahnung, was er bedeutet.«
»Er bedeutet, dass wir Ingvalls Kinder sind, die Hrothas Kinder töten, um sich selbst zu schützen. Und euch Sommerländer, obwohl ihr es nicht wisst. Die Skraeli sind Hrothas Kinder. Sie sind … wie Männer, aber doch nicht wie Männer. Die Verhöhnung eines Mannes. Sie gehen auf zwei Beinen und haben die gleiche Gestalt, aber dort endet die Verwandtschaft. Ihre Haut ist lose und runzlig und gelb wie altes Elfenbein; sie hängt in großen Lappen an ihren knochigen Armen herab. Sie haben weder Haar noch Lippen oder Lider, und ihre Augen sind milchig blau wie die Leiber der Eisberge auf den Weißen Meeren. Ihre Münder sind voller Zähne wie gebrochene Nadeln, und ihre Krallen sind lang und scharf.
Skraeli essen Menschen. Sie jagen auf dem Meer und den eisigen Hängen in schüsselförmigen Booten und Schlitten, die mit Menschenhaut bespannt sind. Ihre Paddel sind zerschundene Arme und Beine, deren Finger und Zehen auseinandergeschnitten, weit gespreizt und mit blutigem Eis verwoben wurden. Skraeli sind Kreaturen des Albtraums. Als Kind habe ich gedacht, es wären nur Geschichten, aber ich habe selbst gegen sie gekämpft und weiß jetzt, dass die Geschichten wahr sind.«
»Aber warum sollten sie dich in die Verbannung treiben? Hattest du Angst davor, gegen sie zu kämpfen?«
Ulvrar schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ich hatte keine Angst, gegen sie zu kämpfen. Ich hatte Angst, zu einem Skraeli zu werden. Niemand weiß, woher die Skraeli kommen; nie hat jemand bei ihnen Frauen oder Kinder gesehen. Selbst wenn wir ihre Höhlen finden, sind dort immer nur Männer. Ich glaube – und da bin ich nicht der Einzige –, dass Skraeli gescheiterte Wildblüter sind. Die Bestie übermannt sie, und sie werden wahnsinnig. Deswegen gibt es jetzt nur noch so wenige Skraeli , geradeso wie die Zahl der Wildblüter mit jedem Jahr geringer geworden ist. Es ist ein Schicksal, das ich nicht ertragen konnte. Also bin ich geflohen.«
»Ich verstehe«, sagte Leferic abermals, und diesmal traf es zu. Ulvrar hatte der Macht und seinem Volk den Rücken zugekehrt, statt das Risiko einzugehen, ein Ungeheuer zu werden. Im Gegensatz zu Leferic. Zwar würde sein Versagen ihn nicht in einen eisäugigen Albtraum verwandeln, aber verdammt wäre er ebenso gewiss.
Doch auch diese Entscheidung gehörte der Vergangenheit an. Er hatte auf die Macht gesetzt, und jetzt lag sie in seinen Händen. Ihm blieben nur zwei Möglichkeiten: Er konnte die Macht meistern oder untergehen.
15
Albric stand in der Menge und beobachtete den celestianischen Ritter, während dieser über den Marktplatz ritt. Er war in der Tat erstaunlich anzusehen. Er saß auf einem dunkelbraunen Ross, und seine Haut war beinahe so dunkel wie das Fell des Pferdes. Das Haar trug er zusammengebunden zu einer pechschwarzen Masse von Zöpfen, an deren Enden kleine weiße Muschelschalen klapperten. So etwas hatte Albric noch nie gesehen.
Der Verbrannte Ritter war kleiner, als Albric erwartet hatte, und viel jünger. Er hielt sich gut und hatte das Schwert bequem auf dem Pferderücken liegen, aber Albric verspürte dennoch einen leisen Zweifel. Konnte er jemandem, der kaum das Knabenalter überschritten hatte, sein Leben und die Geschicke seines Lords anvertrauen?
Er hatte gehört, dass der Verbrannte Ritter mit einer Gefährtin in Tarnebrück war, aber die konnte er nirgendwo entdecken. Doch das kümmerte ihn im Augenblick wenig; er musste Pläne schmieden.
Die Tage nach der Ermordung des Bäckers hatte Albric zumeist damit verbracht, sich allein zu betrinken und die weindurchtränkten Überreste seines Gewissens anzustarren.
Er konnte es nicht durchziehen. Er konnte Severine nicht helfen, einem der heiligen Kämpfer Celestias aufzulauern. Noch konnte er müßig und stumm danebenstehen, wissend, was sie geplant hatte. Er hatte sich und seine Eide bereits so weit verraten, dass keine Hoffnung auf Vergebung mehr bestand; mehr ertrug er nicht. Der Wein drängte seine anderen Sorgen
Weitere Kostenlose Bücher