Der Krieger und der Prinz
Stück Silber werdet erübrigen müssen, damit Ihr ihm etwas bieten könnt … Und vielleicht mehr. König Raharic Altring, gesegnet sei sein Name, glaubt, die Zeit sei reif für den Krieg.«
In der Stille seines Arbeitszimmers las Leferic die Briefe selbst.
Heldric hatte die Wahrheit, gelinde gesagt, etwas geschönt. König Raharic kam nicht nur nach Schloss Schwarzast. Er brachte auch sein Kriegsgefolge mit, und seine Nachricht schloss einen königlichen Befehl an die Grenzlords mit ein, ihre Soldaten zu sammeln und auf seine Ankunft zu warten. Den Lagmyrnern sollte »eine passende Antwort auf ihre Infamie« gegeben werden. Wenn der König nicht in den Krieg ziehen wollte, dann wollte er gewiss so heftig mit den Säbeln rasseln, dass es auf der anderen Seite des Seivern gut zu hören war. Eine Verschwendung von Geld und sehr wahrscheinlich auch eine Verschwendung von Leben.
Leferic wünschte sich, seinen König besser gekannt zu haben, dann hätte er den königlichen Erlass richtig deuten können. War König Raharic wahnsinnig genug zu glauben, dass ein Krieg auf der anderen Seite des Flusses mitten im Winter etwas anderes bedeutete, als eine Katastrophe zu provozieren? Oder war es lediglich ein Ausflug, dazu gedacht, einen Trübsal blasenden Hof aufzuheitern und dafür zu sorgen, dass seine Grenzlords ehrlich blieben? Leferic wusste es nicht. Er hatte seinen König im ganzen Leben nur dreimal gesehen; bei den beiden ersten Gelegenheiten war er ein Kind gewesen und zu jung, um sich an viel zu erinnern. Beim dritten Mal hatte er nur kurze Blicke auf seinen König erhascht, quer über ein Turnierfeld hinweg, am Hof in Isencras.
Seinem Ruf nach war König Raharic ein prächtiger Krieger und ein ehrenhafter Mann, wenn auch hart und sauer wie eingelegte Heringe. Er galt auch nicht als Narr oder Schwadroneur, aber warum sollte er sonst nach Schwarzast kommen?
Leferic schob diese Frage beiseite, weil er sich später darüber Gedanken machen wollte. Was immer die Absichten des Königs sein mochten, sein Besuch würde teuer werden. In diesem Punkt hatte Heldric recht. Sie würden Reiter ausstaffieren, zusätzliche Diener einstellen und Musikanten und Schausteller bezahlen müssen. Er würde den König und sein Kriegsgefolge mindestens einmal in Bullenmark festlich bewirten müssen, und das bedeutete das ganze Programm, angefangen mit der Suche nach einem Chefkoch samt einer kleinen Armee von Gehilfen bis hin zur Bereitstellung von Hunden, Falken und Treibern durch seinen Jagdmeister, falls der König sich mit einer Jagd im bayarnischen Wald zu unterhalten wünschte. Leferic konnte sich die Ausgaben kaum leisten, aber was blieb ihm sonst schon übrig?
In Gedanken noch mit seinen Geldsorgen beschäftigt, wandte er sich dem nächsten Brief zu. Und stellte fest, dass es bei einigen Dingen überhaupt nicht um Geld ging.
Reinbern de Marsts Brief war drei Seiten lang: drei Seiten beredten, sengenden Zorns. Er trauerte um seine verlorene Tochter und den Enkelsohn, den er niemals kennen würde, er verfluchte Galefrid dafür, dass er sie in die Reichweite ihrer Feinde gebracht hatte, und tadelte Lord Ossaric heftig wegen der Barbarei in seinem Reich und wegen seines Unvermögens, der Torheit seines Sohnes einen Riegel vorzuschieben. Deswegen, schrieb de Marst, durchweine seine Frau die Nächte, während er selbst von Gram verzehrt werde. Weder Gebet noch Wohltätigkeit linderten ihren Schmerz … aber vielleicht Rache.
Heuert eine verstümmelte Hexe an, dachte Leferic ätzend, während er Reinberns Erguss las. Bei mir hat es hervorragend funktioniert.
Reinbern de Marst hatte jedoch andere Vorstellungen. Seewacht wurde nicht umsonst das Reich der Gekauften Prinzen genannt. Dort konnte ein Kaufmann ebenso einflussreich sein wie ein Lord, und die Marsts waren sehr erfolgreiche Kaufleute. Sie hatten weder Soldaten noch Ritter mit Pferden, aber sie hatten Geld.
Und weil sie Geld hatten, konnten sie den Banken der Vier Familien befehlen, Bullenmark keinen Penny zu leihen. Wenn sie wollten, konnten sie das ganze Königreich Eichenharn isolieren, ohne ihren eigenen Interessen ernsthaft zu schaden. Sie konnten Kaufleuten befehlen, ihre Waren anderswo zu veräußern, sodass Bullenmark alles Notwendige von kleinen Hausierern oder zu völlig überhöhten Preisen von ihren Nachbarn in Mauerbruch und Schwarzast kaufen musste.
Zu normalen Zeiten kleine Piekser. Sticheleien. Lord Ossaric hätte darüber gelacht. Leferic konnte es
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