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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Seiten Grausamkeiten, eine übler als die vorangegangene.
    An manchen Orten hielten die Eichenharner monatelang ihre Eroberungen, gelegentlich sogar jahrelang: Zeit genug für den Versuch, eine schwache Bindung durch Heirat zu stärken oder einige Kinder zu zeugen und sie Erben zu nennen. Aber es war niemals von Dauer. Schritt um Schritt wurden sie unausweichlich zum Seivern zurückgetrieben und hinterließen eine Flut von zerstörten Hoffnungen und zerstörten Leibern. Und an diesem Zyklus hatte sich seit hundert Jahren nicht das Geringste geändert.
    Alter Groll, alte Ansprüche, alte Wunden, die niemals verheilten, bevor der nächste Überfall sie wieder aufriss … Die Nachwirkungen von Uvarrics Torheit dauerten einfach endlos. Ihre Wellen verebbten niemals, denn immer wieder warf jemand einen neuen Stein, der weitere aufwühlte. Allein für Witwenburg starben Hunderte. Es war ein sinnloses Unternehmen gewesen, aber Leferics eigener Bruder war zu blind gewesen, das zu erkennen.
    Kaum jemand erinnerte sich noch an den wahren Namen der Burg. Kiefern und Dorngestrüpp hatten schon lange ihre Felder zurückerobert. Ihr Bergfried war bloß noch ein Haufen Steine, gekrönt von einem zugigen, von Fledermäusen verseuchten Turm. Ihre einzige Verbindung zu Eichenharn war die, dass eine der Töchter von Mauerbruch einen langmyrnischen Lord dort geheiratet – vor fünfzig Jahren, während einer seltenen Phase des Friedens – und nach dem Tod ihres Gemahls für einige Jahre in ihrem eigenen Namen über die Burg geherrscht hatte. Dann setzte einer der Brüder ihres Gemahls eine Verhandlung an, die jeder Gerechtigkeit Hohn sprach, verurteilte sie wegen Hochverrats und ließ sie hinrichten, um die Burg selbst zu übernehmen. Einige Barden hatten Lieder darüber geschrieben. Einer, ein politisch gesinnter Stückeschreiber aus Seewacht, hatte eine beliebte Tragödie verfasst. Das war alles. Doch kein Jahrzehnt verstrich, ohne dass irgendein törichter kleiner Lord versuchte, Witwenburg zurückzuerobern, und es herrschte niemals ein Mangel an Männern, die bereit waren, sich ihm anzuschließen und aus keinem besseren Grund zu sterben als dem, dass auch ihre Väter dort gestorben waren.
    Galefrid hatte die Witwenburg einnehmen wollen. Sein Bruder war so töricht gewesen. Sie hatten durch einen Onkel Lord Ossarics einen gewissen Anspruch darauf, und gelegentlich hatte ihr Vater, wenn er dem Trunk zugesprochen hatte, etwas über die Burg vor sich hin gemurmelt, aber er hatte niemals genauer über die Natur ihres Anspruchs gesprochen oder, noch wichtiger, darüber, wie irgendjemand aus Bullenmark ohne eine hinreichend große Armee, die auf der anderen Seite des Seivern eine Belagerung durchführen konnte, die Burg einnehmen und halten sollte. Doch Galefrid träumte von Ruhm, und Witwenburg sang dieses Sirenenversprechen, daher hatte er sie gewollt.
    Selbst sein Besuch in Distelstein – der Besuch, der eine neue Tür zum Frieden öffnen sollte – war als eine List gedacht gewesen. Galefrid hatte geglaubt, sein Aufenthalt dort würde ihm Gelegenheit verschaffen, Lord Inguilars Verteidigungsmaßnahmen auszukundschaften und vielleicht einen Angriff für die Zukunft zu planen. Er konnte sich keinen echten Frieden vorstellen, nur einen scheinbaren, den er in einem Krieg zu seinem Vorteil ausnutzen könnte. Es war Leferic, der die meisten Gerüchte darüber verbreitet hatte, dass sein Bruder Lord Inguilar besuche, um nach Langmyrs Freundschaft zu streben; er hatte gehofft, dass seine Lügen vielleicht den Samen der Wahrheit aussäen würden. Galefrid hatte jedoch erst dann Interesse an einem Besuch Distelsteins gezeigt, als er sich in den Kopf gesetzt hatte, er könne die Reise nutzen und die Lage auskundschaften. Er hatte sich absolut blind und völlig halsstarrig gezeigt, eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
    Das also hatte ihnen Uvarrics Torheit eingebracht. Die Zukunft unter einer Geschichte des Hasses begraben. Es war Wahnsinn und Dummheit, und Leferic wollte nichts damit zu tun haben.
    Und das, so vermutete er, hatte Lusian den Fetten dazu getrieben, diese Kinder zu ermorden.
    Er hatte natürlich gewusst, dass einige Hitzköpfe wegen Galefrids Tod Blut vergießen würden; das Risiko hatte er eingehen müssen. Als Leferic den Plan ausgeheckt hatte, waren ihm diese Verluste akzeptabel erschienen. Falls Galefrid bei einem Jagdunfall starb oder von den Zinnen stürzte und sich das Genick brach, würde vielleicht jemand

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