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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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mag ihn nicht. Entweder er geht oder ich.«
    Sie zuckte die Achseln, wandte sich der abstoßenden Kreatur zu und sprach in derselben unmenschlichen Sprache, mit der sie das Ding erschaffen hatte, einen Befehl. Das Ding, das der Solaros gewesen war, hob die schrecklichen Augen zum Himmel und stieß ein Geheul aus, das Dankbarkeit oder Pein hätte ausdrücken können, oder beides. Die Kreatur zerkratzte sich das Gesicht, fiel auf die Knie und regte sich nicht mehr. Gefoltert, entstellt, aber kein Leichnam mehr.
    »Seid Ihr zufrieden?«, fragte Severine.
    »Noch nicht.« Albric zog den Leichnam der toten Frau zu dem des Solaros hinüber – er hätte es nicht ertragen, den anderen zu berühren – und säuberte die Erde um sie herum mit einem Beil, das er dem Bündel eines der toten Söldner entnommen hatte. Er bedeckte die Leichen mit totem Holz und trockenen Zweigen, häufte Glut vom Lagerfeuer darüber und steckte das Ganze in Brand.
    Es war, und das wusste er, das einzig Anständige. Das einzig Kluge. Der Rest von Eichenharn mochte blind sein gegen die Rückkehr der Blutmagie auf seine Erde, aber er hatte ihre Gräuel gesehen, und so viel war er ihren Opfern schuldig.
    Dies sagte Albric sich, während er in die Flammen starrte, als könnten sie die Erinnerung an das Gesehene wegbrennen und seine Nase vor dem Geruch brennenden Fleischs unter dem Holzrauch verschließen. Der Körper des Solaros’ roch nach etwas Schlimmerem. Aber er war nicht in einem Tempel, und er hatte keinen Weihrauch, um den Scheiterhaufen zu versüßen, und so musste er sich einfach vor dem abschotten, was vor ihm lag.
    Erst als die Flammen beide Toten ergriffen hatten, wandte er sich wieder der Dornenlady zu, die ihn leidenschaftslos beobachtete, ihre bleichen Leichname hinter sich. Er hatte Stunden darauf verwandt, den Boden zu säubern und Holz für das Feuer zu sammeln; die Morgendämmerung hatte sie fast erreicht, und schon erschien am östlichen Horizont ein blauer Schimmer. Aber sie schien nicht müde zu sein, obwohl Albrics eigene Augen vom Rauch und der Erschöpfung brannten. Sie schien überhaupt nicht müde zu sein.
    »Wir müssen ein Kind finden«, sagte sie und wandte sich der Straße zu.

8
    Lord Inguilar geleitete den Verbrannten Ritter und Bitharn mit allen Ehren zur Straße. Seine Köche füllten ihnen die Satteltaschen mit hartem Käse, gekochten Eiern und wachsversiegelten Honigkrügen; sein Quartiermeister ersetzte ihnen ihre Pfeile und gab ihnen geölte Köcher mit einer Abdeckung, damit die Schäfte unterwegs vor schlechtem Wetter geschützt wären. Lady Inguilar bestand darauf, Bitharn für ihren Sieg auf dem Feld der Bogenschützen mit einer Börse Silber zu belohnen, obwohl Bitharn zu erklären versuchte, dass sie als Celestias Dienerin einen solchen Lohn nicht annehmen durfte.
    »Nehmt die Börse«, sagte Isavela und drückte Bitharn den Samtbeutel in die Hände, »oder ich werde gekränkt sein. Kauft Euch ein wenig Schmuck. Jede Frau verdient ein wunderschönes Juwel.«
    Bitharn nahm das Geld, aber sie kaufte keinen Schmuck. Sie kaufte einen neuen Wetzstein: Die Steinbrüche im Norden Langmyrs brachten gute Wetzsteine hervor, auf einer Seite weiß, fürs Grobe, und auf der anderen blau, für den Feinschliff, sodass man schnell Kerben aus einer Klinge schleifen und sie mit einem einzigen Stein schärfen konnte. Außerdem kaufte sie ein geöltes Horn mit zusätzlichen Bogensehnen für sich selbst und einen warmen Winterumhang für Kelland. Zuletzt, und das war ihr einziger Luxus, kaufte sie einem Tavernenbarden, der all sein Geld verspielt hatte und das Geld brauchte, eine doppelsaitige Ardvele ab .
    Es war ein wunderschönes Instrument, gefertigt aus elfenbeinfarbenem Holz und bemalt mit gewundenen schwarzen Reben. Die Tinte dazu wurde aus den verbrannten und zerquetschten Blättern des Damenspeerbaums gewonnen, der angeblich einzig auf den Gräbern von Helden an den kalten Stränden der Tausend Flüsse wuchs. Bei einer mit solcher Tinte bemalten Ardvele, behaupteten die Nordländer, würde in ihrem Lied stets die Stimme ihres Heimatlandes mitschwingen. Für Bitharn, die kein Heimatland hatte, war die Geschichte unwiderstehlich romantisch.
    »Du kannst nicht auf der Ardvele spielen«, bemerkte Kelland, als er das Instrument sah.
    »Ich werde es lernen«, versicherte sie ihm hochtrabend.
    Sie ritten durch herabgewehtes Laub, und die Hufe ihrer Pferde schlugen auf den weißen Steinen der Straße der Flusskönige einen

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