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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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gebrochenen Takt. Bitharn fand keine Zeit, ihre Ardvele auszuprobieren, denn sie waren kaum einen Tagesritt von Distelstein entfernt, als sie in der Ferne die ersten schwarzen Vögel kreisen sah. Aasvögel.
    »Weidenfeld«, sagte Bitharn.
    Kelland nickte, den Mund zu einer grimmigen Linie zusammengepresst. Er straffte die Schultern und trieb sein widerstrebendes Pferd weiter. Bitharn folgte ihm, voller Furcht.
    Er war dafür ausgebildet worden, rief sie sich ins Gedächtnis. Zehn Jahre hatte er Schwertkampf trainiert und die Gebete erlernt, die Celestias Magie in der Schlacht beschworen. Dies war die Aufgabe seines Lebens, der Zweck, zu dem er gesegnet war: sich den Feinden zu stellen, denen andere Männer sich nicht stellen konnten, und das Böse aus der Welt zu vertreiben, auf dass andere sicherer leben konnten.
    Sie wusste auch, Kelland wollte beweisen – musste beweisen –, dass er des Respekts würdig war, den die Menschen ihm aufgrund seines weißen Wappenrocks und der Farbe seiner Haut entgegenbrachten. Das Mysterium des Verbrannten Ritters war ganz und gar Illusion, und es war eines, das er selbst nicht wollte. Es war Kelland verhasst, dass die Bauern ihn mit Ehrfurcht und die Lords mit Angst behandelten, weil sie seinem Blut irgendeine illusorische Magie zuschrieben. Nichts, so hatte er ihr einmal anvertraut, machte ihm mehr Angst als die Möglichkeit, vor den Augen einer Welt, die von ihm mehr erwartete, als jeder Sterbliche leisten konnte, auf die Probe gestellt zu werden und zu versagen.
    Bitharn glaubte nicht, dass er versagen könnte. Ihr Glaube an ihn und ihre Göttin war absolut. Dennoch durchzuckte sie ein Stich der Furcht, als sie auf Weidenfeld zuritten.
    Keiner von beiden hatte jemals einer Dorne gegenübergestanden; sie wusste nicht wirklich, was sie zu erwarten hatten. Die Spinne war erst vor kurzem nach Ang’arta gekommen, ihre Schüler vor noch kürzerer Zeit, und wenig war darüber bekannt, was sie auszurichten vermochten. Sowohl Kelland als auch Bitharn waren in Calantyr gewesen, als die Schlacht bei Thelyandfurt geschlagen worden war, und das war der einzige bedeutende Konflikt gewesen, in dem die Dornen den Eisenlords zur Seite gestanden hatten. Sie kannten die Geschichten – jeder kannte die Geschichten –, aber Geschichten neigten dazu, von einem Erzähler zum nächsten verzerrt zu werden, und Bitharn hatte keine Ahnung, wie viel Wahrheit in dem, was sie gehört hatten, noch steckte. Sie war nicht besonders erpicht darauf, es herauszufinden.
    Nichts von alledem äußerte sie gegenüber Kelland. Er brauchte ihre Sorgen nicht. Die Vögel über ihnen waren unheilverkündend genug. Man konnte die kreisenden Krähen aus weiter Entfernung deutlich vor dem Himmel erkennen. Die Größe ihrer Schwärme kündete von der Zahl der Toten.
    Der Wind drehte, als sie durch den Wald kamen, und er brachte etwas mit sich, das widerwärtiger war als Aas, widerwärtiger als der Gestank von eiternden Wunden. Es erinnerte Bitharn an ihren ersten Ritt fort von Cailan, unmittelbar nachdem Kelland seine Sporen errungen und seinen Eid auf die Sonne abgelegt hatte. Sie waren in die winzige Waldstadt Silberteich in der Nähe von Balnamoine geritten, wo wegen einer Sommerseuche der Transport von Holz über die Hauptstraßen zur Stadt zum Erliegen gekommen war. Dass der Handel darniederlag, hatte Cailans Lords so beunruhigt, dass sie nach einem Gesegneten geschickt hatten, der die Kranken heilen sollte.
    Bei Kellans und Bitharns Ankunft war die Stadt bereits tot gewesen. Ihre Bewohner lagen in den Straßen, in ihren Häusern und in der winzigen Kapelle, in die die Letzten sich geschleppt hatten, wo sie zwischen einem Anfall von Bluterbrechen und dem nächsten um Erlösung beteten. Die Seuche hatte sie zu schnell getötet, um sich ausbreiten zu können. Eine kleine Barmherzigkeit vielleicht, aber bis auf den heutigen Tag glaubte Bitharn, dass an der Krankheit nichts Natürliches gewesen war.
    Damals hatte es auch Krähen am Himmel gegeben und den gleichen Gestank in der Luft, als sie die Leichen zum Verbrennen aufgeschichtet hatten. Die Arbeit hatte Tage gedauert, der Gestank tagelang angehalten; als sie Silberteich endlich verließen, hatte Bitharn ihre Kleider verbrannt und sich das Haar geschoren, weil der Geruch niemals daraus gewichen wäre.
    Nichts Besseres erwartete sie von Weidenfeld.
    Als sie die Straße zum Tor des Dorfes hinaufritten, stoben die ersten Krähen vor ihren Pferden davon. Weitere folgten,

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