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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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man würde ihn vor dem Morgen hinauswerfen.
    Doch bis dahin schien er entschlossen, seine Wonnen bis auf den letzten Tropfen zu genießen. Es war weit nach Mitternacht und ging bereits auf den Sonnenaufgang zu, als der Mann endlich die Straße heruntergeschwankt kam. Die meisten Fackeln von Tarnebrück waren schon vor Stunden niedergebrannt – die Stadt war weder reich, noch hatte sie genügend Einwohner, um sich Laternen leisten zu können, die die ganze Nacht hindurch teures Öl verbrannten –, daher stolperte der Mann durch eine tintenschwarze Dunkelheit, die sich nur hie und da etwas aufhellte, wenn der Mond hinter den Wolken hervorlugte.
    Selbst wenn an jedem Schritt des Weges Fackeln gelodert hätten, wäre der Mann nahezu blind gewesen, so betrunken war er. Brys schlüpfte lautlos hinter ihn, schlug ihm mit dem Messergriff in der Faust auf den Kopf und fing den zusammensackenden Körper auf. Der Wein trug mehr dazu bei, ihn zu fällen, als der Schlag.
    Brys schleppte den Mann durch Gassen und Nebenstraßen zur Werkstatt eines Schmieds. Am vergangenen Tag hatte er dem Schmied eine Handvoll Silber gegeben, damit er seine Schmiede heute Nacht unversperrt und sein Haus leer ließ, und der Mann hatte sich offenbar an die Vereinbarung gehalten. Das Haus war dunkel und still, die Schmiedefeuer kalt.
    Gut. So hatte er mehr Platz, seine Aufgabe zu erfüllen. Da der Mann derart betrunken war, würde Brys diesen Platz vielleicht benötigen. Er drückte die Tür der Schmiede mit einem Fuß auf und zerrte seinen Gefangenen, der keinen Widerstand leistete, hindurch. Das Mondlicht erhellte einen höhlenartigen Raum, in dem es nach Rauch und Kohle roch. Brys blieb in der Tür stehen und entzündete ein kleines Licht.
    Die winzige Flamme zeigte ihm einen frisch gefegten Boden, volle Fässer mit sauberem Wasser und sorgsam auf ihren Regalen ausgelegte Werkzeuge. Der Schmied hielt seinen Arbeitsraum in Schuss. Brys war froh darüber; so ließen sich die Dinge, die er brauchte, leichter finden.
    Er warf eine großzügige Handvoll Kohlen in einen der Feuertöpfe und entzündete sie mit dem brennenden Span. Als das Feuer brannte, legte er einige Meißel auf den Amboss gleich neben sich. Zwei davon, die der Hitze vermutlich besser standhalten würden als die anderen, schob er über den Feuertopf der Schmiede. Dann untersuchte er seinen Gefangenen auf Brandzeichen, fand keine und spritzte ihm eine Handvoll Löschwasser aus dem Fass ins Gesicht.
    Prustend schüttelte sich der Mann. Als er Brys sah, erstarrte er. »Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?« Sein Akzent verriet ihn als einen Langmyrner.
    »Jemand, den du zu töten versucht hast. Ich will alles hören, was du über die Ereignisse weißt, die sich in Weidenfeld zugetragen haben.«
    »Was? Weidenfeld? Ich weiß nichts über …«
    Brys ohrfeigte ihn. Es war ein Schlag mit der offenen Hand und eher als Beleidigung gedacht und weniger, um Schmerzen zuzufügen. »Lüg mich nicht an! Ich weiß, wer du bist und was du getan hast. Ich werde dir sagen, wie das hier läuft. Du beantwortest meine Fragen. Wenn du lügst oder etwas zurückhältst, werde ich dir einen Finger abschneiden. Keine Sorge, du wirst nicht verbluten; ich habe Eisen im Feuer, damit kann ich die Wunden ausbrennen. Wenn du langsam lernst und wir zehn Lügen durchhaben, werde ich vielleicht etwas kreativer werden müssen … also ist es gut, dass ich diese Dinger im Feuer habe. Und nun zur Sache: Wer hat dich angeheuert?«
    »Ich weiß keinen Namen. Wirklich nicht«, sagte der Mann. Seine Augen weiteten sich, als Brys seine Hand auf den Amboss zog und die Finger spreizte. »Ich schwöre, ich weiß es nicht. Ein großgewachsener Mann, vielleicht fünf oder zehn Jahre älter als Ihr. Er klang wie ein Eichenharner – könnte ein Ritter oder ein Edelmann gewesen sein. Sah aus wie ein Kämpfer, aber er trug keine Waffen. Er hatte braunes Haar, länger als Eures, und eine Narbe am Kinn, ungefähr so.« Mit der freien Hand zog der Mann einen Finger schräg über die linke Seite seines Kinns. »Ein Bursche mit einem langen Gesicht. Grimmig.«
    Brys bewahrte eine ausdruckslose Miene, aber innerlich war er wie vor den Kopf geschlagen. Er kannte diesen Mann. »Wer war bei ihm?«
    »Fast eine ganze Kompanie. Vielleicht ein Dutzend, vielleicht zwanzig oder so. Ich wollte sie mir nicht lange genug ansehen, um zu zählen.«
    »Gebrandmarkt?«
    Der Betrunkene nickte und wich Brys’ Blick aus. »Ich habe das Brandmal nie gesehen, aber

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