Der Krieger und der Prinz
… jawohl, sie waren gebrandmarkt. Sie müssen es gewesen sein.«
»Wer war ihre Dorne?« Welche Schülerin die Spinne ausgesandt hatte, verriet ihm vielleicht etwas über ihr Vorhaben. Sie hatten unterschiedliche Spezialgebiete; Veladi hatte es ihm einmal erklärt. Malentir war diejenige ihrer Leutnants, der sie am meisten vertraute, und die mächtigste in einer offenen Feldschlacht. Cirephel folgte dicht dahinter, war aber eher auf Verhöre als auf rohe Gewalt spezialisiert. Istarlis war Erforscherin und Erschafferin von Ungeheuern, während Dyonae eine reine Foltererin war, die sich mit ihren rissigen Fingernägeln an den gesunden Verstand klammerte.
»Ich habe sie nur ein einziges Mal gesehen.« Trotz seiner blutunterlaufenen Augen und des Gestanks von saurem Wein in seinem Atem klang der Mann beinahe nüchtern. Seine Finger zitterten auf dem Amboss. »Nur ein einziges Mal, aus der Ferne. Niemand hat ihren Namen genannt.«
»Wie sah sie aus?«
Das Zittern in den Fingern des Verräters wurde schlimmer, bis er einen echten Trommelwirbel auf den gehärteten Stahl schlug. Sein Gesicht war grau wie Asche geworden. »Silbernes Haar. Nicht weiß, nicht grau. Silbern. Wie ein Fluss aus Metall, der über die Mitte ihres Schädels lief. Eins ihrer Augen fehlt. Sie trägt an seiner Stelle ein blaues Juwel, und dieser Stein leuchtet, auch wenn kein Licht darauf fällt. Einige ihrer Finger sind nur noch Knochen. Knochen und Stahl oder Silber.«
Severine. Eine der wenigen guten Seiten der Dornen war der Umstand, dass sie aufgrund ihrer Verstümmelungen so leicht zu identifizieren waren. Niemand konnte sie mit einer anderen verwechseln oder mit irgendeinem normalen Menschen. Veladi hatte ihre blutroten Augen und ihr halb mit Tinte bemaltes Gesicht, Malentir ihre Armbänder aus stachelbewehrtem Stahl. Er wusste nicht viel über Severine, aber jetzt war ihm zumindest klar, mit wem er es zu tun hatte. »Was solltest du für sie tun?«
»Sie wollten einen Weg über den Fluss. Einen Weg, der nicht über Tarnebrück oder eine der wohlbekannten Furten führte. Sie suchten nach einem Dorf, das eine Kapelle hatte und nicht zu nah an Distelstein lag, auch nicht in der Nähe eines stehenden Heeres … und sie wollten einen schnellen Führer. Und jemand sollte ihnen sagen, wann der Ritter aus Eichenharn in dieses Dorfes kam. Wann er dort zum Beten hingehen würde.«
»Wer hat das alles haben wollen?«
»Der Mann. Der mit der Narbe am Kinn.«
»Was hast du für deinen Verrat bekommen?«
»Geld.« Der Betrunkene rutschte auf seinem Platz hin und her und wandte abermals den Blick ab.
»Nur Geld?«
»Sie sagten … sie sagten, sie würden es in meinem Dorf tun, wenn ich ihren Befehlen nicht gehorchte. In meinem Dorf mit meinen Eltern, meiner Frau, meinen Freunden. Sie hat das gesagt. Ich habe ihr geglaubt.«
»Du wusstest, dass sie die Bewohner von Weidenfeld abschlachten würden. Wenn du Angst um deine eigenen Verwandten und Freunde hattest, wusstest du es.«
»Ich habe es vermutet«, gestand der Mann unglücklich. Er sah zu Brys auf und dann, genauso schnell, wieder zurück zum Amboss. »Was hättet Ihr denn getan?«
Ich hätte sie getötet. Und er wäre dabei zweifellos gestorben, aber dadurch wären vielleicht die Menschen verschont geblieben, die ihm etwas bedeuteten. Brys gab sich nicht die Mühe, seine Antwort laut auszusprechen. »Wie viel haben sie dir gezahlt?«
»Fünfzig Silbersolis und einen Goldrayel.«
Brys stieß einen Laut mürrischer Erheiterung aus. »Moranne der Torhüter.«
»Jawohl.«
Moranne der Torhüter war eine marilsche Geschichte für Kinder und beliebt überall in den Sonnengefallenen Königreichen. Vor zweitausend Jahren, im Zeitalter der Legenden vor dem Krieg des Gottestöters, hatte König Cadarn Frosthand im Norden eine Burg aus Eis erbaut. Die Burg war verzaubert: Rammböcke zersplitterten wie Glas an ihren Toren, und Felsbrocken zerfielen zu Pulver, wenn sie gegen ihre Mauern prallten. Kein Feind durfte hoffen, die Eiswallburg im Sturm zu nehmen. Die Baoziten waren dennoch gegen die Burg marschiert, denn ihr Gott hatte ihnen die Vision eines blutigen Siegs geschenkt.
Für eine volle Generation, so sagte die Geschichte, belagerten die Baoziten die Eiswallburg und ernteten für ihre Mühen bloß einen eisigen Tod. Aber die Magie der Burg schützte nicht das Land rings umher, also vergewaltigten und erschlugen die Baoziten die Menschen dort, weil sie an den König nicht herankamen. Ihre
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