Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
Vom Netzwerk:
Verbrechen waren so grausam, dass Gelehrte und Prinzen all ihre Schätze hingaben, um sich durch Bestechung einen Weg in die Sicherheit der Eiswallburg zu erkaufen.
    Moranne der Torhüter war derjenige, der davon profitierte. Käuflich wie er war, ließ er jeden ein, der seinen Preis bezahlen konnte, und versperrte die Tür vor jedem, der es nicht konnte. Weder Barmherzigkeit noch Vernunft konnte ihn umstimmen; Silber war sein einziges Maß.
    An einem schicksalsträchtigen Tag ließ er drei Bittsteller ein. Der erste zahlte ihm zwanzig Stücke Silber. Der zweite zahlte ihm dreißig. Der letzte zahlte ihm eine Goldmünze, die doppelt so viel wert war wie alles Silber. Moranne der Torhüter nahm ihr Geld und warf keinen Blick auf ihre Gesichter, daher sah er nicht, dass der letzte Mann, den er einließ, der Gevatter Tod war.
    Gevatter Tod streckte die Wachen des Königs mit einer Berührung seiner leichenkalten Finger nieder. Dann riss er das Fallgitter weit auf und ließ die Baoziten herein. Während die Bewohner der Burg unter ihrem Ansturm fielen, kehrte Gevatter Tod zum Eingang zurück und lud Moranne ein, sich anzusehen, was er herbeigeführt hatte. Die Geschichte endete im Allgemeinen damit, dass Moranne weinte und seine wertlosen Münzen umklammerte und dass ihm entweder die Baoziten oder Gevatter Tod den Garaus machten.
    Die Bezahlung von fünfzig Silbersolis und einem Goldrayel für Weidenfeld legte die Vermutung nahe, dass die Dornen ihre Hand im Spiel gehabt hatten. Der Mann mit der Narbe musste Albric gewesen sein, einer der Ritter aus Bullenmark, und er besaß weder den schwarzen Humor noch die Lasterhaftigkeit, die für einen solchen Scherz notwendig gewesen wären.
    Falls Albric die Forderungen erhoben, Severine jedoch die Schnüre der Börse gehalten hatte, wer hatte dann wirklich Galefrids Tod gewollt? Offensichtlich war Galefrid das Ziel gewesen, Weidenfeld hingegen bloß ein bequemer Ort für den Mord an ihm. Aber warum?
    Brys nahm einen der Meißel aus den schwelenden Kohlen. Die Spitze schimmerte in einem schmutzigen Goldton. »Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?«
    »Nachdem … nachdem sie in dem Dorf fertig waren. Sie haben mich gezwungen, zu bleiben und zuzuschauen. Sie sagten, sie würden das Gleiche mit meinem Dorf machen, wenn ich sie verrate. Sie würden meine Mutter und meine Frau den Soldaten geben und die Übrigen in ihren Häusern verbrennen. Dann warfen sie mir das Geld hin und verschwanden. Das war das Ende.«
    »Also bist du hierhergekommen?«
    Der Betrunkene starrte wie gebannt auf die glühende Spitze des Meißels. »Ich habe mir gedacht, es wäre einfacher für meine Familie, mich für tot zu halten. Wenn ich niemals zurückkehrte, würden die Baoziten vielleicht glauben, mir läge nichts mehr an ihnen. Wenn dann so etwas wie das jetzt geschehen würde … hätten sie keinen Grund, sie zu töten.«
    Brys glaubte ungefähr die Hälfte davon. Ein Mann konnte sich schneller und billiger außerhalb von Mistress Merrygolds Haus zu Tode trinken. Andererseits gab es vor dem Ende auch keinen Grund zur Pfennigfuchserei. »Wo ist der Rest des Geldes?«
    Der Mann fischte einen kleinen, fettigen Lederbeutel unter seinem Hemd hervor und reichte ihn Brys. Brys schaute hinein. Zehn Solis, eine Handvoll kleinerer Münzen. »Das ist alles?«
    »Den Rest habe ich ausgegeben. Werdet Ihr mich töten?«
    Brys zögerte. Er hatte es vorgehabt, aber das war, bevor er mit dem Mann gesprochen und gesehen hatte, was für ein jämmerliches Geschöpf er war.
    Trotzdem, er war schon einmal bereit gewesen, Menschen an die Baoziten zu verraten. Er konnte es durchaus wieder tun, und Brys war nicht geneigt, sie davon in Kenntnis zu setzen, dass er – Brys – lebte und Fragen stellte.
    »Ja«, befand er, legte das heiße Eisen beiseite und brach dem Verräter sauber das Genick.
    Er kratzte die nicht verbrannte Kohle aus der Esse, ließ den Rest verglimmen und die Meißel abkühlen, dann wischte er den Ruß ab, bevor er sie wieder zu den übrigen Werkzeugen des Schmieds legte. Anschließend warf er sich den Toten über die Schulter, trug ihn zum Fluss und ließ ihn, nachdem er seine Taschen mit Steinen gefüllt hatte, ins Wasser fallen. Das würde eine zielstrebige Suche nicht behindern, aber Brys rechnete nicht mit einer zielstrebigen Suche. Ein solcher Mann konnte nicht viele Freunde haben.
    Vor Tagesanbruch war er wieder im Gasthaus. Brys holte sich einen Teller mit kaltem Brathuhn und altbackenem Brot aus

Weitere Kostenlose Bücher