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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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größeren Vielfalt an Variablen, mit denen ich mich herumschlagen musste. Welaan , stellt den Abakus auf Start und lasst uns sehen!
    Als da wären: Wieso hatten die Heeren nicht von diesem zweiten Artefakt gewusst? Oder hatten sie davon gewusst, es aber nicht für nötig befunden, mich davon zu unterrichten – und das, obwohl es dem Artefakt, das ich schon bald erhalten sollte, zum Verwechseln ähnlich sah? Ahnten sie, dass ich es jetzt besaß? Alle drei Fragen hinterließen einen störenden Nachgeschmack wie Kork, der einem einen guten Wein vergrätzt. Dann: Woher hatten meine Verfolgerin und der alte Kauz Wind von der Sache bekommen? Es war kaum zu übersehen gewesen, dass sie mehr an dem Artefakt als an mir interessiert waren. Arbeiteten sie für Sedgwicks Loge? Die Krone? Sich selbst? Ich wünschte, ich könnte sie mir ein paar dieser Fragen beantworten lassen. Ja, und schließlich: Was wollte das Artefakt? Denn hatten wir nicht beide gleichermaßen den Weg zum Palast eingeschlagen wie laichtolle Lachse? Egal, wer von uns es getragen hatte, das Artefakt wollte, dass wir es zum Palast brachten, als läge das vom Anbeginn der Zeit schon in unserer Natur festgeschrieben. Da ich meine Natur aber gänzlich den Heeren verdankte, lag die Schlussfolgerung nahe, dass ich in allem, was ich tat, nach wie vor ihrem Willen diente – und wer wusste das schon, vielleicht hatte ich in meiner Verfolgerin ja eine mir ebenbürtige Gespielin, eine Schwester im Geiste gefunden? Wir alle – nur Rädchen in großartigen Plan der Heeren !
    Die Vorstellung gefiel mir, aber gleichwohl störte es mich, dass ich so wenig Kontrolle über diesen Plan zu besitzen schien. Allein schon der Augenblick, in dem ich sie umklammert gehalten hatte und alles auf einmal auf sehr verstörende Art durcheinandergeraten war, so als fühle ich mit ihrer Brust und sie mit meinen Fingern, wie ich ihr die Kehle zuzudrücken versuchte – ich musste gestehen, der einzige Grund, weshalb ich sie in diesem Moment nicht erschossen hatte, war gewesen, dass meine Waffe genauso den Dienst verweigert hatte wie meine verdammte Tarnung. Das Einzige, was mir also geblieben war, um sie und dieses ganze Chaos wieder aus meinem Kopf zu kriegen, war gewesen, einen ordentlichen Stromstoß durch sie zu jagen und darauf zu hoffen, dass sie dann lockerließe und ihre Gedanken wieder ihre und meine Gedanken wieder meine wären. Das war zwar nicht sehr freundlich und unter weidmännischen Gesichtspunkten auch nicht allzu professionell – die Unzuverlässigkeit der mir überlassenen Mittel stellte ein weiteres unleugbares Ärgernis dar –, doch es war ein notwendiger Befreiungsschlag gewesen. Ich war recht sicher, sie würde mir zustimmen und hätte an meiner Stelle genauso gehandelt.
    Ich legte das Artefakt in meinen Schoß und schob mir ein Stück Ananas in den Mund. Immerhin hatte ich es geschafft, mir etwas Garderobe und Essen aus dem Palast zu stibitzen. Ich sollte also nicht undankbar sein. Leider hatte dieser kleine Ausflug die letzten Reserven des Tarnschilds erschöpft; zu guter Letzt hatte ich dann doch rohe Gewalt anwenden müssen, und die verabscheue ich an sich ja ebenso sehr wie die englische Küche.
    Den Nachmittag hatte ich überwiegend damit verbracht, an meinem Armband zu basteln. Meiner Hand ging es besser, dafür hatte ich mir beim Sprung durchs Fenster einige schmerzhafte Schnitte zugezogen. Irgendwann war es dunkel geworden, und ich hatte mir die Laterne genommen, die von einem Strick von der Decke baumelte, sie auf einen Balken gestellt und meine Arbeit in dem schmalen Lichtkegel fortgesetzt, den ich ihr zu werfen gestattete – schließlich wollte ich nicht, dass man von draußen eine helle Festtagsbeleuchtung in meinem Unterschlupf bemerkte. Mir fehlte aber das erforderliche Präzisionswerkzeug, und ohne Werkzeug sind dem besten Ingenieur die Hände gebunden. Alles, was ich daher mit Sicherheit feststellen konnte, war, dass der Kristall, der die Tarnung betrieb, sich fast vollständig entladen hatte. Vielleicht würde ich noch ein paar Sekunden herauskitzeln können, aber nicht viel mehr. Auch meine Schusswaffe schien nach gründlicher Reinigung vom Kohlenstaub wieder einsatzbereit, aber wenn mein Leben davon abhinge, Heeren vergebt mir, würde ich momentan einem ordinären Perkussionsrevolver den Vorzug geben. Lediglich dem Voltawerfer brachte ich noch ein Mindestmaß an Vertrauen entgegen.
    Ich drehte das Licht noch ein wenig herunter, stieß mit dem

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