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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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gebrauchen waren und welche weniger. Durch einen konnte ich besser sehen und hören, durch einen anderen konnte ich ahnen, was andere von mir hielten und nicht sagten; von einem anderen wurde ich krank, und es dauerte einige Zeit, bis ich wieder ohne zu zittern aufrecht stehen konnte. Von wieder einem anderen wurde ich dermaßen stark, dass ich einem Malaien ohne es zu wollen den Schädel zerschmetterte.
    All diese Versuche an mir und meiner Ausrüstung waren Schwerstarbeit. Von meiner Haut troff Schweiß, abgestoßen vom Maschinenöl; meine Muskeln schmerzten; meine Knochen spürte ich in meiner Hängematte so deutlich wie noch nie zuvor. Das Klima war grausam, und an manchen Tagen konnte ich kaum atmen, so dick war die Luft. Doch unsere Arbeit ging weiter, bis wir immer wieder auf einen bestimmten Stein zurückkamen, durch den ich besonders geschickt wurde.
    Es schien, als hätte ich meine Bestimmung gefunden und sie mich.
    Als nächstes unterwies man mich in den Mysterien der Kristalle und der auf ihnen basierenden Technologie.

    Die Mumienmänner in den Särgen waren mir das erste Mal im Traum begegnet.
    Es begann damit, dass man mich in ihrem Glauben unterrichtete. Religion wollte ich es nicht nennen, denn man konnte schwerlich ausüben, was sie mich lehrten. Eine ihrer Maximen lautete: „Alles, was kommt, geht, und alles, was Wert hat, ist auch wert zu vergehen.“ Eine längere, aber nicht weniger denkwürdige war: „Wir, die wir Materie sind, drängen zu ihrer Beherrschung, nicht wissend, dass wir es sind, die von ihr beherrscht werden. Doch wir müssen sie beherrschen und mit ihr untergehen. Aus den lehmigen Flüssen entstammen wir, und zu diesen müssen wir wieder werden, ehe wir ins Licht treten dürfen. Doch das Licht spiegelt sich im lehmigen Wasser nicht.“
    Mehr dergleichen gab es zur Genüge, und es begann, sich mit allem anderen zu vermengen. Ich begann, schlechte Träume zu haben, in denen ich in einen metallenen Sarg wie dem Bauch eines engen Schiffes eingesperrt war, und manchmal wachte ich vom ekelerregend intensiven Geruch süßen Obstes und seltsamer Aromen, die mit mir in diesem Raum gefangen waren, auf. Das Schlimme an meinem Gefängnis waren allerdings die Kisten, siebzehn an der Zahl, zumindest glaubte ich das, sicher war ich mir nicht, denn jedes Mal, wenn ich zu Ende gezählt hatte, meinte ich, eine vergessen zu haben. Es wäre erträglicher gewesen, erneut zu zählen, hätten die Kisten einen anderen Inhalt gehabt.
    In den Kisten lagen die Heeren . Dem Aussehen nach waren sie lange, bevor ich zur Welt gekommen war, gestorben; vertrocknete Leiber, deren eingedorrtes Fleisch und runzlige Haut sich eng an die Knorpel und Knochen schmiegten. Ihr rasselnder Atem und die milchige Trübe ihrer halbgeöffneten Augen jedoch bewiesen mir, dass die Körper noch am Leben waren. Wie, kann ich nicht sagen, denn der Gestank ätzender Salze, den diese Kisten verströmten, machten es mir unmöglich, mich länger über sie zu beugen. Unzählige Male zählte ich die Kisten, und unzählige Male verzählte ich mich. Unzählige Male schaute ich hin, und so prägte sich mir ihre Erscheinung ein, für immer.
    Ich wusste, die Heeren XVII hatten die Compagnie aufgebaut und zu dem gemacht, was sie vor den Engländern gewesen war, und ich sollte einer ihrer Krieger werden, denn obgleich die Welt sie für tot hielt, lagen sie doch nach wie vor in erbittertem Krieg mit dem englischen Widersacher. Der hatte ihre Kolonien übernommen, ihre Handelsrouten, ihre Ressourcen und ihre Methoden zur Steigerung der Produktivität – wenn man das, was sie taten, so höflich beschreiben mochte.
    Es war kein Geheimnis, dass sie alle zu Tode schunden. Sie holten die Eingeborenen aus ihren Hütten und brannten diese dann nieder, damit keiner zurückkonnte. Die Alten ließen sie in den Flammen vergehen, ebenso die, die zu jung waren. Doch alle, die arbeiten konnten, schufteten, bis sie zu schwach waren und vergingen. Doch sie düngten die Saat ihrer Felder nicht mit dem Lebenssaft und dem Knochenmehl der Geschundenen. Die Frauen machten sie infertil. Es ging ihnen nicht um den Verlust von Arbeitszeit während einer Schwangerschaft, es war eher so, dass keiner nachfolgen sollte. Die Leiber sollten keine Frucht tragen, bis kein Leib mehr übrig wäre. So behandelten sie die Eingeborenen, und wenn es darum ging, ihre eigene Leblosigkeit anderen aufzuzwingen, waren sie damit erfolgreich.
    Bäume wurden gerodet oder niedergebrannt,

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