Der Kristallstern
nicht packen, nicht herunterreißen und auf den Boden werfen konnte. Onkel Luke gab ihren Fähigkeiten Hilfestellung, so daß sie sie richtig anwenden konnte und mehr über sie lernte. Manchmal verstärkte er ihre Kraft sogar, um ihr zu helfen, um ihr zu zeigen, wie sie das tun mußte, was sie zu tun versuchte.
Aber nicht so!
»Bring diese beiden in ihre Zimmer«, sagte Hethrir zu Tigris. »Dann komm zurück zu mir.«
»Ich werde gehorchen, Hethrir«, sagte Tigris. Seine Stimme war voll von Bewunderung.
»Ich will meinen Zahn«, sagte Jaina.
Hethrir schüttelte seinen Ärmel. Ihr Zahn fiel auf den Boden. Tigris wollte sie nicht loslassen, damit sie ihn aufheben konnte.
Hethrir nahm Anakin hoch. Jainas kleiner Bruder wehrte sich nicht. Er konnte sich nicht wehren.
»Bitte lassen Sie ihn bei uns bleiben«, sagte Jaina. »Er ist erst drei…«
Sie unterbrach sich für einen Augenblick. »Dreieinhalb«, würde Anakin jetzt sagen. Aber er sagte nichts.
»Wir werden alle brav sein, wenn Sie ihn bei uns lassen«, sagte Jaina verzweifelt.
Hethrir blickte auf sie herunter. Jetzt wußte sie, daß der gütige Blick in seinen Augen eine Lüge war – genau wie alles andere, was er gesagt hatte.
»Wenn ihr brav seid«, sagte er, »erlaube ich vielleicht, daß ihr euren Bruder besucht. In ein paar Tagen. Oder in einer Woche.«
Er drehte sich um, wobei sein langer weißer Umhang um seine Absätze wirbelte, und trug Anakin in die Dunkelheit. Das letzte, was Jaina von ihrem kleinen Bruder sah, waren seine weit aufgerissenen, angstvollen Augen.
Tigris stieß Jaina und Jacen den Flur entlang, dann um eine Ecke. Die nasse, kalte Decke von Hethrirs Macht umgab Jaina noch immer.
»Es ist kalt«, flüsterte sie.
»Unsinn, es ist wunderbar warm«, sagte Tigris.
Jaina fühlte sich verletzt und verlegen, verängstigt und wütend. Selbst als sie klein gewesen war, hatte sie niemand jemals so behandelt. Sie bemühte sich immer, ihre Fähigkeiten richtig anzuwenden. Verantwortungsvoll zu sein. Sobald sie begriffen hatte, was das Wort bedeutete, hatte sie erkannt, daß es in ihrem Leben bedeutsam sein würde.
Sie wünschte, daß sie mit Mama sprechen könnte. Es war ihr niemals, niemals, niemals erlaubt, ihre Fähigkeiten zu benutzen, um jemanden zu verletzen. Aber was war, wenn sie es tun mußte, wenn es darum ging, jemanden daran zu hindern, sie oder Jacen zu verletzen, wenn es galt, ihren kleinen Bruder zu verteidigen? Sie war für Anakin genauso verantwortlich wie für den richtigen Gebrauch der Dinge, die sie tun konnte.
Sie sollte die Barriere zur Verteidigung einsetzen. Aber sie wußte bereits, daß es nicht funktionieren würde.
Hethrir kann die Barriere stoppen, dachte sie. Er würde das nicht tun, wenn er wirklich unser Ziehvater wäre. Ich glaube nicht, daß er Papa kennt, und ich glaube auch nicht, daß er ein Freund von Mama ist.
Und schließlich dachte sie – der Gedanke war wie die Sonne, die hier in diesem dunklen Gang aufging –, glaube ich auch nicht, daß Mama und Papa und Onkel Luke tot sind!
Diesmal glaubte sie es wirklich.
Sie versuchte, Jacens Blick aufzufangen, um festzustellen, ob auch er wußte, daß Mama und Papa am Leben waren.
Sie wandte den Kopf, um zu Jacen hinüberzusehen. Tigris drückte seine Hand seitlich gegen ihr Gesicht – die Hand war warm, seine Absicht nicht boshaft, sondern zweckdienlich – und zwang sie, wieder nach vorne zu blicken.
»Hier schreiten wir aufrecht und geradeaus voran«, sagte er. »Wir richten die Augen nach vorne, damit wir sehen, womit wir uns auseinandersetzen müssen.«
»Das ist albern«, sagte Jaina. »Auf diese Weise kriegt ihr vieles nicht mit!«
»Und wir opponieren nicht gegen ältere«, sagte Tigris.
»Was ist ›opponieren‹?« fragte Jacen.
»Sei nicht impertinent«, sagte Tigris.
»Was ist ›impertinent‹?« fragte Jaina. Sie kannte die Bedeutung beider Wörter nicht. Wenn Tigris ihr also sagen wollte, daß sie dasselbe bedeuteten, dann wußte sie noch immer nicht, was er meinte. Jetzt verhielt er sich so, als ob er wütend wäre, sagte nichts und drängte sie schneller in die Dunkelheit hinein.
Jaina fragte sich, ob sie sich unter der nassen, schweren Decke hervorarbeiten konnte. Sie folgte ihr und hüllte sie weiterhin ein. Sie war unsichtbar, und wenn sie ihren eigenen Arm berührte, konnte sie nichts um sie herum spüren.
Aber die ganze Zeit hatte sie das Gefühl, daß Hethrirs kalte, harte Hand auf ihrer Schulter lag. Immer wieder
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