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Der Kristallstern

Der Kristallstern

Titel: Der Kristallstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda McIntyre
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größte Ithorianer öffnete die Decke und enthüllte einen erbarmungswürdig mageren Jüngling. Seine intelligenten Augen blitzten an den Enden seines hammerförmigen Kopfes, und er kämpfte darum, sich aufrecht zu halten. Die erwachsenen Familienmitglieder streichelten den Jungen und flüsterten auf ihn ein, versprachen ihm vielleicht, daß sie bald in ihre Herdenstadt zurückkehren würden. Dann waren sie dem Kind behilflich, sich auf Warus Altar zu legen. Ihre Stereostimmen trällerten fremdartig durch den Theatersaal.
    Der Jüngling war beklagenswert schwach. Die Familie gab ihn in Warus Obhut und trat zurück.
    Wie zuvor verflüssigten sich die goldenen Schuppen, strömten nach unten und hüllten Warus Patienten ein. Götterblut tröpfelte über den Kokon und verfestigte sich. Licht durchflutete die transparente Hülle.
    Aber danach wurde alles anders.
    Waru erbebte heftig, stieß einen Schrei aus. Der Schrei hob und senkte sich gleichzeitig: Er stieg an zu einem schneidenden Kreischen und fiel ab zu rollendem Donnern. Der hohe Ton gellte in Hans Ohren und verschwand dann jenseits der Grenze seines Hörvermögens. Er hatte das Gefühl, als würde sein Gehirn von Schallwellen durchbohrt. Gleichzeitig wurde der tiefe Donner zu einer beunruhigenden Vibration. Von den Wänden hallte ein tiefer Ton wider, der Hans Knochen zum Vibrieren brachte.
    Es hörte sich für Han an wie eine große Katze, die zufrieden über ihrer Beute schnurrte.
    Die Bittsteller stießen ein entsetztes, durchdringendes Heulen aus und fielen mit niedergeschlagenen Augen vor Waru auf den Boden. Nur Han blieb stehen. Selbst Xaverri kniete vor dem Altar mit gesenktem Kopf nieder.
    Waru erbebte.
    Aber dieses Ritual war anders. Han strengte sich an, etwas zu erkennen, und war sich sicher, daß Waru die Prozedur verändert hatte. Statt sich auszudehnen, zog sich die Puppe zusammen, so als ob sie den ithorianischen Jüngling erdrücken wolle.
    Waru ächzte.
    Die Puppe explodierte. Wie die glühende Asche eines außer Kontrolle geratenen Lagerfeuers, das von einem pfeifenden Wind gepeitscht wurde, wirbelten strahlende Funken vom Altar hoch. Der Feuerstrudel bewegte sich spiralförmig durch den Saal. Schweiß trat auf Hans Stirn. Die Luft wurde heiß und niederdrückend.
    Han sah entsetzt zu.
    Warus Schuppen flatterten und glätteten sich.
    Der ithorianische Jüngling lag wie ein zusammengefallenes Bündel aus verdrehten Gliedern auf dem Altar. Die Familie des Jungen drängte sich dicht zusammen, hielt sich aneinander fest, weinte und fürchtete sich davor, den Blick zu heben.
    »Ich bedaure«, sagte Waru. »Ich bedaure. Ich kann nicht immer erfolgreich sein. Vielleicht habt ihr zu lange gewartet, bis ihr mich um Hilfe batet, oder vielleicht war die Zeit eures Nachkommen auch abgelaufen.«
    Die ithorianische Familie mühte sich unsicher auf die Füße, stützte sich gegenseitig in tiefem Schweigen.
    »Wir ehren dich, Waru«, sagte der kleinste Ithorianer in Basic und blinzelte traurig. Seine Stimme wurde zu einem rauhem Flüstern. »Wir ehren dich.«
    »Ich bin erschöpft«, sagte Waru. »Ich muß mich ausruhen.« Die goldenen Schuppen zogen sich zusammen, schlossen die Adern, die das Götterblut hervorbrachten.
    Die ithorianische Familie fügte sich Waru, wickelte ihren Abkömmling in die Decke, die jetzt ein Leichentuch war, und bahnte sich vom Altar aus einen Weg durch die Menge. Die Leute machten den Ithorianern Platz und folgten ihnen aus dem Theater nach draußen.
    Han drückte sich gegen die Rückwand des Saals. Schweißtropfen glänzten und prickelten in seinen Augen. Er machte die Augen zu und versuchte auszulöschen, was er gesehen hatte. Leute huschten an ihm vorbei, und schließlich wurde es still im Saal.
    »Komm mit mir, Solo«, sagte Xaverri.
    Er schlug die Augen auf. Sie streichelte sanft seinen Arm, besänftigte ihn. Er starrte sie an. Horror hatte Besitz von ihm ergriffen. Er konnte nicht sprechen. Er konnte kaum atmen. Xaverri schlang ihre Finger um die seinen und führte ihn schweigend aus dem Theater.
    Hinter ihnen klumpte sich Waru zusammen und schlief.
    Xaverri und Han gingen schweigend über den Hof. Auch nachdem sie schon den Bogen passiert hatten, sprachen sie nicht.
    Luke kam ihnen mit wehendem Mantel entgegengelaufen. 3PO eilte hinter ihm her, fiel bei jedem Schritt ein Stückchen zurück.
    Luke machte vor Han halt und packte ihn an den Schultern.
    »Was ist passiert? Alles in Ordnung mit dir?«
    »Waru… ich weiß nicht.

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