Der Kronrat (German Edition)
niemand zu sehen.
»Es ist ein gutes Stück bis dorthin, aber wenn der Mann der beste Arzt ist …« Er schaute hinüber zu mir und grinste. »Ich hoffe, du bist wieder gut zu Fuß, alter Mann!«, rief er und fing an zu rennen.
Rellin hatte mich noch nicht lange genug geschunden, um in meiner Ausdauer einen Unterschied zu machen, vielmehr hinderte mich mein Muskelkater doch mehr, als ich zugeben wollte, gegen Ragnar kam ich mir nur vor wie ein waidwunder Eber, während er den Hasen gab. Selbst Serafine war außer Atem, als wir durch das Tor der Zitadelle stürmten, was die Wachen dort sogleich in helle Aufregung versetzte.
Ein großes Durcheinander entstand, blanke Klingen zeigten auf uns, erst als ich keuchend und mir die Seite haltend, meinen Ring vorzeigte, legte es sich ein wenig, dann war Orikes heran, an seiner Seite Leandra, die schöner nicht hätte sein können, die mit hochgezogenen Brauen auf Angus starrte, auf Ragnar, dann auf mich, um sich dann wortlos abzuwenden und zu gehen.
»Also, Ihr seid Ragnar Hraldirsson«, meinte Orikes im Plauderton, als er mit blutigen Händen aus dem Raum heraustrat, in dem Angus auf einer kalten steinernen Platte lag. Orikes trat an ein Becken und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich für ihn pumpen sollte.
»Ja«, sagte Ragnar und bedachte den Stabsobristen mit einem undeutbaren Blick. »Der bin ich.«
»Hm«, meinte Orikes, während er seine blutige Robe abstreifte, sie fallen ließ und sich dann sorgsam die Hände wusch. »Der Ragnar, der vor fünfzehn Jahren mit seinem Schiff verschwand? Der letzte Sohn von Hraldir Erulfson?«
»Ja, genau der«, gab Ragnar ruhig zurück. »Was ist mit Angus?«
»Euer Freund wird leben, obwohl es ein Wunder ist. Ein wenig Ruhe wird ihm nicht schaden. Kann es sein, dass rohes Fleisch seiner Heilung förderlich ist?«
»Das mag sein«, gab Ragnar ungerührt zurück. »Aber er schätzt es auch gebraten.«
»Ist das so?«, sagte Orikes und wandte sich dann an mich. »Unsere Eule sagt, er sei ein Freund von Euch, Ser Roderic, und brachte ihn hierher, weil es Eurem Wunsch entsprach. Wusstet Ihr, dass er der Königssohn ist, der Anrecht auf den Thron von Krimstinslag hat?«
»Nein. Nicht mit Gewissheit.«
»Aber Ihr habt es geahnt. Eure Königin ist wenig erbaut darüber, und sie scheint Euren Freund Angus ebenfalls wenig zu schätzen.«
»Sie wusste von Ragnar.«
»Nicht genug, scheint mir.« Orikes seufzte. »Ihr wisst, dass Ihr die Lage damit noch verschlimmert. Die Varlande sind gute Verbündete, doch ob sie es bleiben, hängt davon ab, wer den Thron gewinnen wird.« Er sah zu Ragnar. »Diese Würde mag Euch zustehen, aber ich frage mich, ob Ihr genug Freunde habt, die sie Euch gönnen.«
»Wohl kaum«, meinte Ragnar ungerührt. »Meine Freunde begleiteten mich auf meiner Reise, zurück ließ ich nur meine Feinde. Also wird Angus leben. Dafür danke ich Euch, Stabsobrist.«
»Keine Ursache. Gewährt Eurem Freund zwei Tage Ruhe. Und ich hoffe bei allen Göttern, dass Ihr wisst, was Ihr da tut, Lanzengeneral.«
»Wieso denn ich?«, fragte ich überrascht.
»Ihr habt Ragnar zu Euch eingeladen, und alles andere folgt daraus.« Er warf mir einen scharfen Blick zu. »Der Kommandant hoffte, dass Ihr Ruhe halten würdet, und ich auch. Aber wie ich hörte, wart Ihr erstaunlich fleißig darin, Altes auszugraben und die Welt in Aufruhr zu versetzen. Glaubt mir, manchmal ist es besser, die Toten ruhen zu lassen.« Mit diesen Worten schritt er zur Tür hinaus und zog sie leise hinter sich zu.
»Ist er einer deiner neuen Freunde?«, fragte Ragnar.
»So genau weiß ich das nicht«, antwortete ich. »Bislang dachte ich es.«
»Askir ist mehr, als man sieht«, meinte Ragnar und trat zur Seite, als zwei Federn Angus auf einer Bahre heraustrugen. Sie brachten ihn in ein Quartier, wo er sich erholen konnte. »Achte darauf, dass du der Kaiserstadt nicht den Weg zu ihrem Ziel versperrst. Sie merkt es nicht, wenn sie dich niedertritt.«
Da man uns riet, Angus erst einmal die Ruhe zu gönnen, die er benötigte, gingen wir hoch zu meinem Quartier, die Wachen dort waren auch nicht erfreut, Ragnar passieren zu lassen, Angus hatte arg auf ihn geblutet; mit seinen anderen Wunden und dem Kettenmantel, der ihm in Fetzen von den Schultern hing, sah Ragnar durchaus erschreckend aus.
Ich hatte Orikes noch einmal aufgesucht, ihn gebeten, Ragnar Quartier bei mir zu erlauben. »Ich sagte schon, ich hoffe, dass Ihr wisst, was Ihr
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