Der Kronrat (German Edition)
breit und ungehobelt, ohne Anstand und wahrscheinlich auch ohne viel Verstand.« Er lächelte und zeigte makellose Zähne. »Gesehen wird man ohnehin, aber meist ist es besser, wenn man selbst bestimmt, was der andere sehen soll.«
»Denkt Ihr, dass das tatsächlich nötig ist?«, fragte Serafine überrascht.
»Ja«, meinte Ragnar leise. »Ich weiß jetzt, wer die Krone der Varlande tragen wird, und es ist ein kluger Zug. Es bindet mich in die Intrigen ein und lässt mich doch am Rand stehen. Also muss ich achtsam sein, denn wenn man mich unterschätzt, ist das nur von Vorteil.«
»Hat man einen Nachfolger für Hraldir gefunden?«, frage ich. »Wer ist es?«
»Eine junge Frau, kaum sechzehn Jahre alt. In neunhundert Jahren ist es erst das zweite Mal, dass man sich für eine Königin entschieden hat. Ihr müsst verstehen, in meiner Heimat nimmt man die Seras auf manche Art nicht ernst, auf andere dagegen wieder sehr. Ihr Name ist Vrelda Hraldirsdotter.«
»Hraldirsdotter?«, fragte ich erstaunt. »Deine Schwester? Ich wusste nicht, dass du eine hast.«
»Ich hatte es auch fast vergessen. Sie war gerade erst geboren, als ich ging. Ein kleines Ding, das auf meiner Hand Platz hatte.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Und nun wird sie Königin!« Er sah zu mir. »Du musst zugeben, Havald, es war schnell entschlossen. Sie hat das Blut des Vaters und somit auch das Anrecht darauf. Und es wäre unhöflich, würde ich meine eigene Schwester fordern, um sie dann im Kampf zu erschlagen.«
»Was bedeutet das für uns?«, fragte ich.
»Es ändert nichts. Es war geplant, den Jarl Erlaf auf den Thron zu setzen, einen Mann, zu dem mir nichts Freundliches einfällt. Er verlor einst seine rechte Hand, als er mich erstechen wollte. Was er tun wird, ist, Vrelda zur Frau zu nehmen und so die Krone an sich zu reißen. Wenn ich nun gegen ihn antrete, stelle ich mich gegen meine Schwester. Das gehört zu den Dingen, die ein Mann nicht tut.« Er brach sein Brot und tunkte einen Teil in seinen Kafje. »Es dürfte deine Königin erfreuen. Er ist der, auf den sie setzt.«
»Wie hast du das so schnell herausgefunden?«, fragte ich verblüfft.
»Täuschung und Intrigen«, meinte er. »Wenn man als Königssohn geboren wird, nimmt man es mit der Muttermilch zu sich. Sonst kommt man nicht dazu, eigene Kinder zu zeugen. Ich habe einen der Männer am Tor der Botschaft bestochen.«
»Sie sind bestechlich?«
»Jeder ist es, wenn man seinen Preis kennt. Er war der, der mich von hinten angriff. Er hat zwar laut genug gebrüllt, hätte aber den Schlag nicht führen dürfen, bevor ich mich umgedreht hatte. Ich bot ihm an, das auf sich beruhen zu lassen.«
»Das reichte, um ihn zu bestechen?«
»Ja«, meinte Ragnar. »Bei anderen braucht es Gold, bei ihm war es die Ehre. Jeder hat seinen Preis und seine Schwäche, man muss sie nur finden.«
»Was ist deine?«, fragte Zokora.
»Die braucht Ihr nicht zu kennen«, gab er ihr lächelnd Antwort.
Ich unterbrach das Geplänkel. »Wo ist sie, deine Schwester? Ist sie noch in Krimstinslag?«
»Ja.«
»Dann ist es erstaunlich, dass wir schon davon wissen. Die Nachricht allein müsste Tage brauchen.«
»Wohl kaum. Erinnert ihr euch an die alte Frau im Langhaus, die die Kohleschale für uns entfacht hat? Sie ist eine Feuerseherin und kann mit ihren Schwestern in der Kronstadt sprechen.«
»Ich dachte, das wäre nur eine Sage«, meinte ich überrascht. »So wie die von den Frostriesen oder den Eisschlangen.«
»Oder die vom Wanderer, der nicht sterben kann«, meinte Ragnar grimmig. »Eine ist so wahr wie die andere. Es gibt einen Grund, warum die Varlande niemals gefallen sind.«
»Bis Askannon euren König niederrang.«
»Ja!«, rief Ragnar und schlug sich auf das Knie. »Götter, hätte ich diesen Kampf gern gesehen, es muss ein Schauspiel ohnegleichen gewesen sein! Euer Kaiser war ein kluger Mann. Er wusste, was er bieten musste, um zu siegen.«
»Du meinst, der Kampf war gestellt?«, fragte ich.
»Natürlich. Nach allem, was ich weiß, reichte euer Kaiser mir kaum bis an die Brust. Wie sollte er da im Ringkampf gewinnen? Doch der Kampf war nur das Siegel zu einem Geschäft und zeigte meinem Vorfahren, dass der Kaiser es wagte, nackt gegen ihn in den Ring zu treten. Wir schätzen solchen Mut.«
»Vielleicht war es doch Euer Vorfahr, der den Mut besaß«, meinte Serafine lächelnd. »Es ist wahr, der Kaiser war nicht so groß wie Ihr, aber er konnte über jede Stärke verfügen, die er
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