Der Kronrat (German Edition)
sein. Aber der Krieg wird auch hierher kommen, Generalsergeant. Ich sage Euch eines: Die sieben Reiche sind nur Kartenhäuser. Hätte ich ein Jahr, fünftausend Männer und hunderttausend Goldstücke, in fünf Jahren hätte ich, vielleicht bis auf Askir, das gesamte Reich gewonnen. Für Askir selbst bräuchte ich noch einmal zehn Jahre … nur würde ich die Reichsstadt nicht belagern … ich würde einen Handel mit dem Rat abschließen und sie kaufen ! Doch wisst Ihr was, Generalsergeant? Der Feind hat nicht fünftausend, sondern fünfhunderttausend Soldaten! Er plünderte die Schätze von zwei Dutzend Nationen, er hat nicht fünf Jahre Zeit, sondern fünfhundert! Der Krieg kam vor fast dreißig Jahren an die Grenzen meiner Heimat. Das Land ist jetzt verwüstet, nur noch die Kronstadt stemmt sich dem Feind entgegen. Vor ihren Mauern lagert ein Heer, das größer ist als alle Truppen, die die sieben Reiche zusammenziehen können … doch es ist nicht die Hauptmacht, denn diese ist schon lange unterwegs! Hierher, Generalsergeant! Jetzt sagt mir nur noch eines: Der Ansturm der Barbaren an der Ostmark … habt Ihr den Eindruck, er wäre verzweifelter geworden?«
»Ohne Zweifel, Lanzengeneral. In den letzten zehn Jahren hat er sich um ein Vielfaches verstärkt.«
»Habt Ihr jemals von einem Schwertleutnant mit Namen Mendell gehört? Er diente bei den Seeschlangen.«
»Nein«, sagte sie. »Müsste ich ihn kennen?«
»Die Antwort wäre Ja. In einer halben Kerze hat er mir alles erklärt, was man über diesen Krieg wissen muss. Warum die sieben Reiche fallen werden. Er ist für die Kaiserstadt gefallen. Für uns alle hier. Das Schicksal eines Soldaten. Aber das bedeutet, er starb auch für Euch, Rellin. Ihr seid selbst Soldat … sagt mir, was haltet Ihr davon, sinnlos zu sterben?«
»Ihr geht zu weit«, sagte sie kühl. »Ich bin der Generalsergeant der Dritten Legion. Kasale wird es vielleicht ertragen müssen, Euren rauen Worten zuzuhören, ich muss es nicht. In dieser letzten Zehntelkerze habt Ihr Vorwürfe erhoben, Andeutungen gemacht, seid fast schon laut geworden und habt mir einen Zorn gezeigt, der eines Generals nicht würdig ist. Ich werde dem Kommandanten von dieser Unterredung berichten.«
»Gut«, sagte ich und stand auf. »Tut das. Offensichtlich stört es Euch nicht, sinnlos Euer Leben neben eine Waagschale zu werfen. Es wird Krieg sein, Rellin. Im Krieg sterben Menschen, manche vor ihrer Zeit. Wenn Ihr die Nachricht erhaltet, dass Euer Sohn gefallen ist, ohne dass es jemand Nutzen brachte, werdet Ihr dann nicht auch zornig sein? Wird der Zorn sich gegen mich richten, weil ich recht behalten habe, oder gegen Euch selbst, weil Ihr nicht hören wolltet?«
» Das «, sagte sie, während die Adern an ihrem Hals pochten, »war weitaus zu viel. Wenn Ihr nicht Eure Uniform tragen würdet, wenn ich es nur könnte, würde ich Euch dafür fordern!«
»Aber ich trage keine Uniform«, sagte ich ganz ruhig. »Wenn es Euch danach ist, dann schlagt …«
Weiter kam ich nicht, sie stürzte sich auf mich wie eine Löwenmutter. Ich lernte Weiteres über Generalsergeant Rellin, sie kämpfte wie ein Straßenjunge, mit allem, was sie hatte, jeden Trick, den sie je lernte, ohne Rücksicht auf sich und irgendetwas, nur ein Ziel gab es in ihren Augen: mich vor ihr auf dem Boden zu sehen.
Gestern noch hätte sie gewonnen. Gestern noch hätte es wenig Grund gegeben, warum ich gewinnen musste. Ein paar Beulen, vielleicht gebrochene Knochen, so zornig wie sie war, Rellin war kein Mörder. Sie hätte mich zu Brei geschlagen und dann vor die Türe werfen lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass mir solches widerfahren wäre.
Doch jetzt hatte ich einen Grund. Und einen Vorteil. Seelenreißer schützte mich nicht vor Schaden oder Schmerzen, er heilte mich nur. Schmerzen war ich gewohnt, und ich hatte gelernt, damit auch umzugehen. Also nahm ich, was sie mir entgegenwarf, auch wenn ich laut fluchte, als ihr Knie beim dritten Anlauf doch den Weg zwischen meine Beine fand … lernte ein halbes Dutzend neuer Tricks und einen Griff, der einem den Rücken brechen konnte, den ich wahrhaft beeindruckend fand … dafür, dass sie kaum mehr als die Hälfte meines Gewichts wog, war es fast unglaublich, was sie mit meinen armen Knochen anstellte. So dauerte es überraschend lange, bis ich sie in die Ecke ihres Zimmers gedrängt, am Hals und einem ausgerenktem Arm ein gutes Stück über dem Boden an der Wand hielt.
Die Lage wurde auch
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