Der Kronrat (German Edition)
erbeutete Rüstungen, schmieden selbst die Waffen und lernen von uns, wo sie können. Sie sind nicht dumm. Aber anstatt lesen zu lernen, lernen sie zu kämpfen. Glaubt mir, General, jeder Bulle hat reichlich Erfahrung im Kampf. Die Ostfront ist alles andere als unwichtig. Vor etwa zweihundert Jahren wurde die Festung Brandenau genommen. Die Barbaren fielen über Rangor bis nach Aldane ein, raubten, plünderten und mordeten, verwüsteten ganze Städte … Wir haben davon gelernt, sie leider auch. Es dauerte drei Jahre, bis wir die Festung zurückerobert hatten.« Sie seufzte. »Die Feste Brandenau ist eine befestigte Stadt. Die Ostmark hat mehr Truppen, als wir besitzen, fast vierundzwanzigtausend Mann. Alle Reiche unterstützen sie, sie ist unser Schild gegen die Barbarei. Die Festung spiegelt das wieder. Neben den Truppen, die dort liegen, gibt es auch Zivilpersonen, die Frauen der Soldaten, Kinder, Händler … als die Barbaren aus der Festung vertrieben wurden, ließen sie nur die jungen Frauen am Leben … die, die mit ihren Kindern schwanger wurden.«
»Ich nehme an, es gibt nach solchen Überfällen auch Strafexpeditionen?«
»Ja.«
»Und es geschah noch nie, dass die Legion auszog, um die Barbaren zu verfolgen und sie diese nicht mehr fanden?«
»Es geschieht zu oft. Warum?«
»Ich würde das eine Schwäche nennen, Generalsergeant.« Ich beugte mich etwas vor. »Ich sah noch nie Soldaten, die in einer schweren Rüstung so behände sind wie Bullen. Ich denke, Ihr habt recht, und es sind die besten Soldaten auf dieser Weltenscheibe. Aber jedes Kleinkind rennt ihnen davon. Wäre ich der Feind, würde ich Berührung mit den Bullen um jeden Preis vermeiden. Ich würde kleine Gruppen nutzen, vierzig, fünfzig Mann. Ich würde in der Nacht angreifen, die Bullen in den Baracken überraschen, Brunnen vergiften, Nachschublinien zerstören, sie in die Irre und in Hinterhalte locken, kurz, ich würde alles tun, um ihre Moral zu zerstören, sie zu verwirren, zu demoralisieren und, wenn möglich, verhungern oder verdursten zu lassen. Aber eines würde ich niemals tun. Mich ihnen im Kampf stellen!« Ich fixierte sie mit meinem Blick. »Die Bullen sind der beste Amboss, den ich je auf einem Schlachtfeld sah. Eine Frage nur, Generalsergeant … wo, bei allen Höllen Soltars, ist der Hammer? Wo ist die Reiterei?«
»Götter«, meinte sie bestürzt. »Was ist denn in Euch gefahren?«
»Wollt Ihr es wirklich wissen?«
»Sonst hätte ich es nicht gefragt.«
»Dann hört zu. Die Götter sind der Meinung, dass ich gegen einen falschen Gott kämpfen und verlieren soll. Meine Königin hat mich in eine Pflicht genommen, der ich mich fast vierzig Jahre lang entzogen habe. Die Pflicht: Schütze den Thron und zerstöre die Feinde Illians.«
»Kurz und bündig«, meinte sie.
»Ja«, knirschte ich. »Schütze und zerstöre. Nicht … tue dabei niemandem weh oder trete niemandem auf die Füße! Schütze und zerstöre. Hochinquisitor Pertok ist Euch ein Begriff?«
»Ja, sicherlich«, sagte sie verwundert. »Jedes Kind in Askir weiß von ihm.«
»Er hat die gleiche Aufgabe wie ich. Nur, dass ich jeden Ritter des Reiches zum Schutz der Krone rufen kann.«
»In Illian«, ergänzte sie.
»In Illian, da habt Ihr recht. Das führt zum dritten Auftrag. Ich kommandiere die Zweite Legion, ihr Auftrag ist der gleiche. Schütze das Land, die Menschen und den Glauben, und zerstöre die Feinde des Reichs!«
»Worauf, Ser General«, sagte sie ganz leise, »wollt Ihr hinaus? Warum sagt Ihr das mir? Ich bin der Generalsergeant der Dritten Legion, solltet Ihr nicht besser mit Kasale reden?«
»Sie ist in Gasalabad, Ihr seid hier. Ihr habt das Wissen, das ich brauche, also frage ich Euch. Die Frage lautet: Welche Schwächen haben die Legionen?«
»Die, die Ihr genannt habt«, sagte sie jetzt ohne weiteres Zögern. »Ihr habt darin recht … mehr noch, die Barbaren verwenden mehr und mehr der Taktiken, die ihr aufgezählt habt. Mit zunehmendem Erfolg.«
»Was kostet die Ausbildung eines Bullen?«
»Über das ganze Jahr, mit Verpflegung, Ausrüstung und allem anderen?«
»Genau das.«
»Fast zwölfhundert Goldstücke. Aber wir sind es wert«, fügte sie noch rasch hinzu.
»Daran habe ich keinen Zweifel.« Das war die Wahrheit. »Aber nicht, wenn Ihr nur dort herumsteht, wo der Feind nicht ist.« Ich sah ihr direkt in die Augen. »Ich habe immer wieder gehört, dass es nur der Zweiten gestattet sein wird, in den Krieg zu ziehen. Das mag
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