Der Kronrat (German Edition)
bitte.«
Er nickte knapp.
Da kam auch schon der Leutnant zurückgeeilt, hielt uns zwei Sehrohre entgegen, salutierte und ging hastig davon. Ich wartete, bis er um die Ecke war, bückte mich und legte die Steine neu aus. Dann bat ich den Kommandanten in das Achteck hinein. Einen Moment zögerte er, dann straffte er die Schultern und stellte sich neben mich. Ich nahm eine Laterne vom Haken an der Wand, entzündete sie und sah ihn fragend an. »Bereit?«
»Wenn ich wüsste, wofür … aber gut, ja.«
Ich ließ den mittleren Stein fallen, und es knackte in meinen Ohren. Kühle, feuchte Luft umhüllte uns, und der schwarze Stein um uns herum war feucht und glitschig.
»Wo sind wir?«, fragte der Kommandant, der sich neugierig umsah, während ich nach einer Tür suchte und sie mit Seelenreißers Hilfe fand. Sie war gut im Stein verborgen. Bevor ich sie öffnete, sah ich herab. Dort lagen Steine, und wie ich vermutete, führten sie nicht zu Desinas Haus zurück. Ich merkte mir die Kombination, sammelte die Steine ein und legte sie neu aus. Dann drückte ich gegen die verdeckte Tür. Es knirschte, als sie sich widerwillig öffnete. Der Grund dazu zeigte sich gleich darauf im Schein der Laterne. Die Tür führte in einen großen runden Raum aus schwarzem Basalt, gut dreißig Schritt in der Breite, aber nur vier in der Höhe. Was geknirscht hatte, waren alte braune Knochen in den vermoderten Resten einer Robe in Schwarz und Gold. Das war nicht der einzige Tote hier. Spuren dieses alten Schlachtens gab es an diesem Ort genug, man konnte noch gut sehen, wo die Priester zusammengetrieben und dann erschlagen worden waren. Es mochte Jahrhunderte her sein, aber für mich roch es noch immer nach Tod. Eine schwere Tür aus Gold und Silber hatte einst den Raum geschützt, jetzt war sie eingeschlagen, und die Edelsteine herausgebrochen. Auch Teile der goldenen Verkleidung fehlten.
Dahinter kamen ein Gang und eine Treppe, die mit Knochen und herabgestürztem Mauerwerk überzogen war. Ich benötigte Seelenreißers Hilfe, um uns den Weg hindurchzubahnen. Der Kommandant half mir nicht, ich bat ihn auch nicht darum. Er studierte die Steinzeichnungen an den Wänden und die alten Knochen.
Die Treppe führte in die Ruine eines Tempels. Das Dach war eingestürzt, die Säulen umgeworfen, als wären sie nur Kienspäne, das Standbild einer mir unbekannten Gottheit lag zerschmettert auf der Seite. Auf morschen und verrosteten Speeren um den Tempel herum steckten hier und da noch immer braune Köpfe. Alles, was man hier sah, war von dichtem Grün überwachsen, selbst die Gebeine waren mit Moos bedeckt, und um die Speere rankten sich Pflanzen.
Langsam traten wir aus dem Schatten der Ruine heraus. Ein rötlicher Himmel mit fernen Schlierenwolken kündete vom nahen Sonnenuntergang, die Luft war warm und drückend und trieb mir sogleich den Schweiß auf die Haut.
Der Tempel war auf einem Tafelberg erbaut, der wie ein Finger in die Höhe ragte. Um ihn herum erstreckte sich dichtes Grün. Fremdartige Vögel sangen, und vor uns huschte ein rotgrüner Drache, kaum größer als mein Unterarm, in das dichte Unterholz, das diesen Berg erobert hatte.
Vor uns erstreckte sich ein Tal, eingefasst von grünen Wällen aus Vegetation und Gestein, darin eine dunkelbraune, gelbe oder rote Stadt mit fernen Dächern, rauchenden Schloten, die über der Stadt einen Dunst erzeugten, Türmen und Kastellen, breiten und schmalen Straßen, während über uns eine Wyvern schrie.
Die Stadt hatte das Tal erobert, so weit das Auge reichte. Es war keine Ordnung zu erkennen, die Straßen liefen wirr durcheinander, selbst mit bloßem Auge konnte man sehen, dass auch die Häuser übereinander gebaut worden waren. Nicht weit entfernt wand sich eine breite Straße durch das Gewühl der Stadt, und auf ihr bemerkten wir fremde Bestien, die Wagen zogen, zusammen mit Sklaven, die unter den Schlägen ihrer Aufseher zuckten. Auch ein Trupp Soldaten marschierte dort. Sie trugen stolz ein Legionsbanner vor sich her und waren mit schwarzen Rüstungen aus gehärtetem Leder gewappnet. Über der Stadt kreisten Dutzende, vielleicht Hunderte Wyvern in einem Tanz, der sie hoch und wieder herab führte, aber immer im Kreis. Die feuchte Luft trug den Geruch von Kohle, Schwefel und den modrigen Gestank der fremden Stadt mit sich. In der Ferne, am weiten Ufer eines mächtigen Flusses, der sich wie brauner Schlamm in weiten Bögen durch das Tal ergoss, türmte sich ein mächtiges Bollwerk, das
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