Der Kronrat (German Edition)
Scheunenwand.
Vor uns wuchs trotz des schweren Gewichts der Kette der schlanke Hals in die Höhe, weite Nüstern, in die ein Schlachtross hätte reiten können, nahmen unsere Witterung auf. Dann war sie so nah heran, dass ihr Atem unsere Umhänge zum Flattern brachte.
Ehrfurcht und Staunen … kein Hass und nur wenig Angst , sagte eine weiche Stimme in meinen Gedanken. Die gepanzerten Lippen verzogen sich zu einem wehmütigen Lächeln. Das ist letzthin selten geworden. Könnt Ihr mir einen Gefallen tun? Sucht jeder eine schöne Blume und legt sie mir auf den Altar. Sie werden mir Trost und Hoffnung geben, sonst könnt Ihr nichts mehr für mich tun. Doch dann eilt Euch, Ihr dürft nicht zu lange hier verweilen.«
»Wisst Ihr, was das für Blumen sind?«, fragte ich leise den Kommandanten, als ich ehrfürchtig eine weit verzweigte Blüte, die ineinanderverschachtelt und verdreht in tiefstem Blau und Gold glänzte, während der innere Teil in einem feurigen Rot erstrahlte, in die zerbrochene Schale legte.
»Ja«, meinte der Kommandant mit belegter Stimme und legte seine Blüte sorgsam neben die meine. Er sah zurück zu ihr, die zu lächeln schien, als sie ihren Kopf absenkte und aus unserem Blick verschwand. »Es sind Orchideen … sie wachsen nicht bei uns, es ist zu kalt für sie. Diese Blume nennt man Feuerherz, ist die Blüte geschlossen, hat sie die Form eines Herzens in Gold und Blau und Silber … öffnet sie sich, blüht sie in feurigen Farben auf.«
Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, sah hinüber zu der fremden Stadt. »Es heißt, schenkt man sie jemandem, öffnet sie sich, wenn man es ehrlich meint und schließt sich, wenn man täuschen will.« Er sah auf die Schale herab, die neben Überresten anderer Gaben nun auch unsere Blumen hielt. »So gesehen, scheinen wir es ehrlich zu meinen.«
Über uns schrie wieder eine Wyvern, die Nacht brach schneller als gewohnt herein.
»Wir sollten gehen«, schlug ich vor, er nickte und wir stiegen diese halb zerfallene Treppe herab, mit Seelenreißer schlug ich einen Brocken frei, der mit lautem Grollen die Treppe wieder füllte.
Ich zog die Tür hinter mir zu und griff nach dem Beutel mit den Steinen. »Wartet«, bat der Kommandant. »Kennt Ihr den Weg zu einem Ort, an dem wir in Ruhe miteinander reden können?«
»Vertraut Ihr mir so weit, dass ich Euch auf einen Kafje einladen darf?«
»Ich bin mit Euch durch dieses Tor gegangen«, sagte Keralos und schüttelte halb erheitert, halb verzweifelt den Kopf. »Ich muss vom Wahn befallen gewesen sein!«
»Danke«, sagte ich zu Asala, als sie uns den Kafje in den Garten brachte. Hier war es wärmer als im Feindesland, doch die Hitze war trocken, so empfand ich sie eher als angenehm denn als eine Belastung. Meine Haushälterin tat einen tiefen Knicks und zog sich würdevoll zurück, diesmal hatte sie sich geweigert, irgendeine Form von Überraschung zu zeigen, als wir aus dem Keller kamen.
Ich schenkte dem Kommandanten ein, der zuerst tief einatmete, dann einen Schluck nahm, bevor er wohlig seufzte und sich auf dem Stuhl bequem nach hinten lehnte und den Kragen seiner Uniform löste.
»Ich hatte vergessen, wie es im Sommer in Gasalabad riechen kann … Desina hatte recht, Ihr habt einen schönen Garten, Lanzengeneral.«
»Ihr wart schon einmal hier?«, fragte ich höflich und schenkte mir selbst ein, während ich mich umsah, ob nicht doch irgendein Ohr zu nahe war. Wenn, dann waren Taruk oder Asala bessere Spione, als ich dachte. Es reichte schon vollauf, wenn sie Armin berichteten, wer heute hier mein Gast gewesen war.
»Vor langer Zeit.« Er sah sich in unserem Garten um, betrachtete lange das Meer der Blüten, das so sorgsam angelegt worden war. »Die Blumen dürften ihr gefallen. Habt Ihr eine Vermutung, wer sie ist?«
»Ich denke, ich weiß, was sie ist, Kommandant.«
Er sah mich fragend an.
»Eine Göttin, denke ich. Wir kennen sie nur nicht. Aber vielleicht ist sie die Lösung eines Rätsels.« Ich schmunzelte ein wenig. »Sie dürfte unbestreitbar die Tochter eines Drachens sein!«
Er lachte kurz. »Wir brauchen auch kaum zu raten, was geschieht, wenn sie die letzte Kette sprengt«, meinte er. »Aber meint Ihr, es wäre so einfach? Dann bräuchten wir kaum mehr zu tun, als zu warten, bis es so weit ist. Nur, dass diese Kette noch lange halten wird!«
»Ihr kennt also die Prophezeiung?«
Er seufzte. »Ich erhielt gestern Nacht noch Besuch. Von den höchsten Priestern unserer Götter
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