Der Kronrat (German Edition)
Adjutanten. Die Wandflächen waren mit Regalen vollgestellt, hinter dem Stuhl des Generals hing das Beeindruckendste in diesem Raum: die Fahne der Legion. Sie glich der, die wir im Hammerkopf gefunden hatten, nur war leicht zu erkennen, dass diese hier nie im Feld geführt worden war.
Sie war etwa eine Mannshöhe hoch und anderthalb lang, von blutroter Farbe, und in der linken oberen Ecke prangte der imperiale Drache. Am oberen Rand lief eine Reihe Wappen entlang. Die Stickerei des schnaubenden schwarzen Bullen in der Mitte war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Zwischen seinen Hörnern trug er in Gold die kaiserliche Zahl II, und unter seinen silbernen Hufen war das Motto der Legion eingestickt:
Für Askir, den Kaiser und die Pflicht,
Wo wir stehen, da weichen wir nicht.
Die blutrote Fahne erschlug den Raum, und fast konnte man meinen, das Schnauben des Bullen zu hören. Ihn hinter meinem Rücken zu wissen, störte mich ein wenig, und ich nahm mir vor, die Fahne ins Vorzimmer zu verlegen. Von der Decke hingen andere Wimpel und Flaggen, die der geschlagenen Gegner und gewonnenen Feldzüge. Ich sah hoch zu ihnen und fand, dass auch sie an den Wänden im Vorzimmer besser aussehen würden.
Der Raum war frisch gelüftet und gekehrt, der Boden glänzte wie poliert. Hinter dem Schreibtisch und neben der Fahne ging es durch eine Tür in weitere, mir unbekannte Räumlichkeiten.
Rellin nahm Haltung an, salutierte aber nicht, denn dazu hätte ich eine Uniform tragen müssen.
»Generalsergeant.« Ich nickte ihr zu, als ich das erste Mal hinter dem Schreibtisch Platz nahm und mich sofort fragte, wie alt der Stuhl bloß war. Er knarzte bedenklich unter meinem Gewicht. Ich wies mit einer Geste auf die Stühle. »Zieht einen heran und macht es Euch bequem«, sagte ich und zog die unterste Lade des Schreibtischs auf. Eine tote Spinne lag darin, sonst nichts. Ich hätte vorher in der Messe etwas trinken sollen, denn jetzt plagte mich der Durst.
Sie tat wie gebeten und sah mich offen und direkt an.
»Habt Ihr Eure Wahl getroffen?«, fragte ich sie.
»Viel an Wahl habt Ihr mir ja nicht gelassen«, meinte sie mit einem schiefen Lächeln. »Es machte schnell die Runde, dass Ihr mit dem Hochkommandant verschwunden seid; dass Ihr jetzt hier sitzt, bedeutet, dass er bereits entschied.« Sie hielt eine lederne Mappe hoch, die gut zwei Finger dick war. »Hier sind die Vorschläge, die Ihr haben wolltet«, sagte sie, stand auf und reichte mir die Mappe.
Ich brach das Siegel, wickelte die Schnur ab, öffnete sie und blickte auf einen Stapel eng und sorgsam beschriebener Blätter.
»Was habt Ihr getan?«, fragte ich sie erstaunt. »Habt Ihr vierzig Federn gleichzeitig diktiert?«
»Nein, Ser«, entgegnete sie. »Ich habe in ein Regal gegriffen und sie herausgeholt. Es gibt immer welche, die sich Gedanken machen und Vorschläge unterbreiten. Zweimal im Jahr treffen sich die Generalsergeanten der Legionen, nehmen diese Vorschläge zur Hand und prüfen sie sorgfältig. Die, die wir für nützlich halten, werden dann in dieser Mappe zusammengefasst.« Sie sah mich mit ihrem Auge direkt an. »Ihr seid nicht der einzige Soldat, der denken kann.«
Ich hob die Mappe an – sie enthielt bestimmt fünfzig oder sechzig Seiten – und ließ sie wieder sinken.
»Warum wurden sie nicht umgesetzt?«, fragte ich.
»Weil sie dem Vertrag des Kaisers widersprechen.«
»Nennt ein Beispiel.«
»Wie man die schwere Reiterei bei den Legionen einrichten könnte. Nicht als eigenen Klan wie einst die Bären, sondern als Bestandteil der Legion. Was es an Ausrüstung und Versorgung bräuchte. Solche Dinge. Ein anderer Vorschlag enthält Ideen für leichte Wurf- und Speermaschinen. Wie Ihr sagt, wir sind der Amboss, doch bislang dienen wir nur dazu, dass der Feind sich die Zähne an uns einrennt, wir hätten gern lieber selbst einen harten Biss.«
Ich blätterte in den Papieren, erkannte Zeichnungen von Steigbügeln und leichten Wagen und nickte dann, bevor ich die Mappe wieder schloss.
»Ich werde sie mir ansehen«, sagte ich. »Vielen Dank, Generalsergeant.«
Sie blieb sitzen. Ich sah sie fragend an.
»Bei der letzten Sitzung spielten wir in der Halle der Akademie drei Nächte lang ganze Schlachten durch … Es war bedrückend, dann am vierten Tag zu erwachen und zu wissen, dass nichts davon geschehen würde. In der Ostmark ist es, wie Ihr vermutet habt, am deutlichsten zu sehen. Der Marshall stellt uns auf die Wälle und belässt es
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