Der Kronrat (German Edition)
Bericht des Hafenmeisters lesen?«
»Fiel denn niemandem etwas an dem Schiff auf?«, fragte Serafine.
»Nein«, sagte Santer und schüttelte den Kopf. »Bevor es sich in der Werfteinfahrt versenkte, war es unauffällig genug. Ohne einen tapferen Agenten Aldanes, der in Folge sein Leben ließ, wäre der gesamte Plan der Nekromanten wohl gelungen; erst er war es, der uns auf das Schiff aufmerksam machte. Jetzt, freilich, macht es uns ganz andere Probleme.«
»Das Schiff?«, fragte Serafine. »Warum? Sagtet Ihr nicht, es wäre versenkt?«
»Das ist es. Allerdings an einem sehr unglücklichen Ort. Es blockiert die Ausfahrt aus dem Wehrhafen. Dort liegen neue Schiffe, die nicht zu den Ausrüstungsdocks gelangen können, solange dieses Schiff in diesem Kanal liegt. Es ist ein Problem. Vor Jahrhunderten gab es Schleusentore, die den Kanal hätten verschließen können, das heißt, es gibt sie immer noch, doch wurden sie sehr lange nicht benutzt, und als wir es versuchten, zeigte sich, dass sie unter Wasser verfault und aufgequollen waren und jetzt nicht mehr einsatzfähig sind. Das Schiff ist unter Wasser zerborsten, schwer mit Steinen beladen, sodass wir es nicht heben können. Auch unsere Taucher können nicht viel tun, solange das Wasser noch so kalt ist. Wir versuchen, was wir können, doch zwei unserer Taucher starben schon an diesem Wrack.«
»Ich will nichts versprechen«, sagte Serafine vorsichtig. »Aber es mag sein, dass ich dort helfen kann. Mein Vater war nicht nur der Gouverneur von Gasalabad, er war auch ein guter Ingenieur.«
Das mochte wahr sein, war aber nicht der wahre Grund. Serafine hatte die Gabe, das Wasser zu beherrschen, doch es war nichts, das sie offen sagen wollte, selbst hier in Askir nicht. Die Eulen mochten Verständnis haben, aber auch hier in Askir gab es Aberglauben, und vielleicht fand sich dieses Wissen dann in einem Bericht wieder, den ein anderer las.
»An Wissen oder Ingenieurskunst mangelt es uns nicht«, antwortete Santer. »Desinas Großvater, der Gildenmeister der Schmiede, ist in dieser Richtung sehr begabt, auch er arbeitet an einer Lösung, doch auch diese wird noch auf sich warten lassen.«
»Dennoch«, beharrte Serafine. »Wäret Ihr bereit, uns dorthin zu führen? Ich will mir das Wrack gerne einmal ansehen.«
»Das sollte kein Problem darstellen, nur fürchte ich, dass es nicht leicht für mich sein wird, die Zeit dafür zu finden.« Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »Als ich noch bei den Seeschlangen war, dachte ich, dass der Dienst mir kaum Zeit zum Atmen ließ, jetzt weiß ich es besser; seitdem ich Desina kenne, bleibt mir wahrlich keine Zeit. Dass Ihr uns hier vorgefunden habt, war Glück und eine große Ausnahme; es war die erste Pause, die wir uns gönnten, seitdem Rolkar, nein, Feltor dieses Tor zu öffnen versuchte. Aber sorgt Euch nicht um dieses Schiff, früher oder später wird Desina eine Lösung dafür finden.«
»Ich dachte, die Prima wäre im Moment nicht in der Lage, Magie zu wirken?«
Santer schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Ihr begeht denselben Fehler, den ich beging. Sie ist die Eule, da denkt man leicht, es wäre alles, was sie ist. Doch dies ist weit gefehlt. Sie ist eine Gelehrte; für sie ist die Beherrschung der Magie nur der kleinste Teil von ihr, der größte ist, dass sie das gesamte Wissen des Turms zu hüten hat und es in großen Teilen bereits erforschte. Es gibt sehr wenig, über das sie nichts weiß.«
Ich dachte an den Hüter des Wissens zurück. Wissen war schon immer machtvoll gewesen. Doch der Hüter war ein alter Mann gewesen. »Ist sie älter, als sie uns erscheint?«, fragte ich.
»Nein«, lachte Santer. »Sie ist erst zwei oder drei Jahre über zwanzig, älter ist sie nicht! In vielen Dingen bemerkt man es, doch ihre Geistesschärfe lässt sie weitaus schneller lernen als jeden anderen Menschen, den ich kenne. Sie kann Euch erklären, warum Sterne am Himmel stehen und warum ein Fisch im Wasser nicht ertrinkt. Sie kennt Geheimnisse der Schmiedekunst, die selbst die Gilde schon lange vergessen hat, und wenn sie ein Rätsel löst, freut es sie so sehr, dass sie herumspringt, tanzt und singt, vor Glück lacht … und eine halbe Kerzenlänge später bereits das nächste Rätsel angehen will. Sie ist verspielt und gleichzeitig ernst, aber am besten gefällt mir, dass sie ihre Last meist mit einem Lächeln trägt.«
Und Ihr, mein Freund, dachte ich und versuchte mein Schmunzeln zu verbergen, seid ihr schon ganz und
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