Der Kronrat (German Edition)
dann lachte sie bitter. »Auch davon lernte ich mehr, als Ihr je zu lernen fürchten braucht.«
Ich fand es an der Zeit einzuschreiten. »Ihr seid Euch sicher, dass es diesen Seelenreiter gibt?«, fragte ich Gerlon.
»Es gibt ihn«, antwortete der junge Mann überzeugt mit einem Blick zu der Maestra hin. »Ich sehe ihn jede Nacht in meinen Träumen.«
»Das erklärt es dann auch schon«, meinte die Eule dazu.
»Asela«, mahnte Serafine sie leise.
»Götter«, seufzte diese. »Also gut, auch ich habe mich schon einmal getäuscht. Es ist möglich, dass mir etwas entgangen ist.« Für wahrscheinlich hielt sie es offenbar nicht.
»Wo finden wir den Unheiligen?«, fragte ich den Priesterschüler, mit einem strengen Blick zu Asela hin, den sie nicht wahrzunehmen schien.
»In einer Gruft unter diesem Tempel, verborgen und versteckt, mit magischen und anderen Fallen gesichert, bewacht von Priestern, die ihr Leben gaben, und gebunden in goldene Ketten mächtigster Magie. Er hätte sterben sollen, aber ich bin sicher, dass er noch lebt, und man muss ihm ein Ende bereiten!«
»Was meint Ihr mit Referenz?«, fragte Serafine.
»Er findet Erwähnung in den Tempelarchiven, doch Bruder Jon glaubt, dass ich mich irre. Ich jedoch bin mir sicher.« Er wies mit seiner Hand auf Seelenreißer an meiner Seite. »Es braucht ein Schwert wie das Eure, um ihn vollends zu vernichten. Die Jahrhunderte müssen ihn geschwächt haben, und jetzt ist die Gelegenheit dazu, bevor er sich aus seinen Fesseln befreien kann.«
»Ihr hofft, er sei geschwächt, und gebunden ist er auch? Worin besteht dann die Gefahr?«, fragte ich.
»Ich hoffe, dass er schwächer wurde, aber ich weiß, dass seine Fesseln bald brechen werden. Denn der Tempel hat vergessen, die Rituale auszuführen, die ihn weiterhin binden sollen. Es ist zu lange her, als dass man sich an ihn erinnert.«
»Wie lange ist das her?«, fragte Asela interessiert.
»Der Tempel wurde an dieser Stelle erbaut, um ihn zu binden. Seit über tausend Jahren also. Seit der Gründung dieser Stadt.«
»Das mag es erklären, dass ich von solchem bislang nichts wusste«, gab die Maestra zu. »Aber tausend Jahre? Und dann sagt Ihr, es dulde keinen Aufschub?«, fragte sie und schien ein wenig erheitert. »Nach all dieser Zeit soll es auf einen Tag ankommen?«
»Genauso ist es«, meinte der Priester ernst. »Denn gestern erst habe ich festgestellt, dass wieder eines der Siegel gebrochen ist, die ihn halten. Nur noch ein Siegel bindet ihn, und wenn auch das bricht, fürchte ich das Schlimmste.«
»Verstehe ich das richtig?«, fragte ich. »Ein Seelenreiter soll seit tausend Jahren unter diesem Tempel liegen und noch immer leben? Woraus schließt Ihr das? Vielleicht ließ man ja deshalb die Rituale ausfallen, weil sie nicht mehr nötig sind, und der Verfluchte schon lange bei seinem dunklen Gott weilt?«
Der junge Priester sah mir direkt in die Augen. »Weil er seine Macht bereits auf die Priesterschaft ausübt. Es ist schwer, die Veränderung zu bemerken, aber er hat fast jeden hier bereits unter seinen Bann gelegt.«
»Unter den Augen des Gottes?«, fragte ich. »Und das soll ich Euch glauben?«
Er schien ein wenig in sich zusammenzusinken. »Bruder Jon glaubt es nicht, das ist gewiss. Warum Ihr es glauben sollt … Ich weiß es nicht. Aber Ihr habt schon Seelenreiter erschlagen, Ihr kennt sie besser als jeder andere.«
»Und Ihr meint, dass Ihr gefeit seid gegen die Macht dieses Seelenreiters, und es allein an Euch liegt, den Verdammten seiner Bestimmung zuzuführen?« Asela lachte. »Ihr seid ein Priesterschüler, solltet Ihr nicht denen vertrauen, die Euch lehren?«
»Ich würde es so gern«, meinte der junge Gerlon fast schon verzweifelt. »Aber glaubt mir, ich habe es in alten Texten gelesen und täusche mich nicht! Der Verfluchte liegt in geweihten Ketten, und es ist unsere Aufgabe, ihn zu bewachen. Aber das tut niemand mehr! Ich bilde es mir nicht ein, es steht in goldenen Lettern in den heiligsten Büchern unseres Ordens, jenen, die die Aufgaben der Priesterschaft festlegen. Bitte, so glaubt mir doch!«
»Was sagt der Hohepriester dazu, Gerlon?«, fragte Serafine ruhig.
»Er meint, dass ich mich irre und erst mehr darüber erfahren werde, wenn ich höhere Ämter erreiche«, antwortete der junge Mann gequält. »Doch das letzte Siegel bricht jetzt ! Wie soll ich denn da warten? Außerdem plagen mich Träume, die davon sprechen, dass dieses Übel ungehindert wächst und gedeiht. Diese
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