Der Kronrat (German Edition)
tat, es schien, als ob sie sich von einem auf den anderen Moment veränderte, und dennoch war es ein gradueller Prozess. Vor mir stand plötzlich eine Frau mit der alabasterfarbenen Haut einer Prinzessin, dem schwarzen Haar eines Raben, einem Gesicht, für das man Kriege führen konnte, und Augen, die voller Gefühl sein sollten und dennoch hart wie Diamanten glitzerten. Ich hatte viele schöne Frauen gesehen, doch sie verfügte über etwas, das mehr war als nur Schönheit. Als wären in ihr die Götter zusammengekommen, um einen neuen Maßstab zu setzen.
Und trotzdem ließ sie mich seltsam unberührt, wie eine Statue, ein unbeseeltes Kunstwerk.
»Du bist noch genauso, wie ich mich an dich erinnere«, sagte Serafine mit belegter Stimme. »Und doch: Was um aller Götter willen ist mit dir geschehen? Wie kam es, dass du Seelen geritten hast, alles verraten hast, das dir heilig, lieb und teuer war? Was ist aus dir geworden?«
»Nichts ist aus mir geworden. Und nichts geht es Euch an«, meinte die schwarzhaarige Schönheit mit klirrender Kälte in der Stimme und verwandelte sich wieder zurück, während Serafine Schutz suchend an meine Seite trat.
»Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn eine Freundin jetzt Seelen reitet, findest du nicht?«, fragte Serafine bitter. »Ich kann es einfach nicht verstehen.«
»Das wäre womöglich ein Grund, wenn Asela Euch als Freund betrachtet hätte, doch von denen lebt längst niemand mehr«, gab die Sera barsch zurück und schnaubte. »Ihr erinnert mich an jemanden, das stimmt. Aber erwartet nicht von mir, zu glauben, dass Ihr die seid, der Ihr ähnelt. Balthasar trägt Schuld an ihrem Tod, davon kann ihn niemand befreien.«
»Das ist wahr«, meinte Serafine. »Aber ich wurde durch ein Wunder Soltars wiedergeboren, und ich erinnere mich an dich, Feltor und Balthasar.«
»Ich bin schon lange nicht mehr leichtgläubig«, sprach die Sera bitter. »Aber gut: Wenn Ihr Serafine sein wollt, dann wisst Ihr auch, was Balthasar ihr auf ihrer Hochzeit gestohlen hat.«
»Also weißt du, wer ich bin«, stellte Serafine fest.
»Ich weiß, wem Ihr ähnelt. Aber Ihr könnt es nicht sein. Beantwortet meine Frage, oder hört auf, mich mit dummen Phantasien zu quälen!«
»Wenn du nicht den Kuss meinst, dann war es eine Kirsche«, antwortete Serafine.
Die Sera wurde bleich und taumelte zurück, als wäre sie geschlagen worden. »Das ist unmöglich!«
»Nein, ist es nicht. Es war ein Wunder Soltars«, sagte Serafine, trat an Asela heran und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Was ist mit dir geschehen, Asela?«
»Alles«, antwortete die ehemalige Eule bitter. »Alles, was ein Mensch nicht ertragen kann, ohne daran zu zerbrechen. Er ließ nichts aus, keine Demütigung war ihm zu gering, keine Schandtat zu grob. Er nahm ihr alles, was man einem Menschen nehmen konnte, verdrehte sogar das Gefühl der Liebe in einen abscheulichen Spiegel. Als der Bann fiel, der auf sie wirkte, weinte sie und wollte nicht mehr leben.«
»Du sprichst von dir, als wärst du jemand anders«, meinte Serafine betroffen.
»Weil es so ist.« Tränen liefen der Maestra über die Wangen, aber sie schien sie gar nicht zu bemerken.
»Was ist noch übrig von dir, Asela?«
»Nichts von ihr selbst. Aber alles an Wissen und jede einzelne Erinnerung, so abscheulich sie auch sein mag«, gab die Maestra Antwort. »Sie sind schwer zurückzuhalten«, seufzte sie.
»Kannst du mir sagen, wie es kam, dass du jetzt Seelen reitest?«, fragte Serafine.
»Das ist vorbei. Asela hat den Preis dafür bezahlt, wie wir alle.«
»Das ist wahr. Sie ist kein Nekromant«, äußerte sich der Priester dazu.
Asela zog eine Augenbraue hoch. »Tatsächlich?«, fragte sie.
Der Priester nickte. »Ihr tragt es nicht in Euch, dennoch liegt anderes bei Euch im Argen.«
Sie lächelte freudlos. »Das habt Ihr gut erkannt. Sagt, Priesterschüler, könnt Ihr schon die Wahrheit von der Lüge unterscheiden?«
»Meistens«, meinte Gerlon bescheiden. »Bruder Jon sagt, ich hätte ein Talent dafür.«
»Sage ich die Wahrheit, wenn ich behaupte, dass ich ein Feind Kolarons bin?«
»Ja. Aber Ihr folgt dabei eigenen Interessen und wollt nur Rache üben.«
Asela nickte. »Ihr seht viel für jemanden, der noch so jung ist«, meinte sie anerkennend und wandte sich wieder an uns. »Es ist, wie er sagt. Ich will Rache. Ich habe Grund genug dafür, nicht nur für mich, sondern für zwei andere. Viele andere. Ihr habt den Priester gehört. Wir können uns
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