Der Kruzifix-Killer
von den Typen waren an der Kamera, die anderen haben mit der Frau rumgemacht. Aber das war kein Porno, Mann.« Daryls Stimme klang jetzt unsicherer. »Als die damit fertig waren, sie zu schlagen und zu ficken, haben die ihr die Kehle durchgeschnitten. Haben sie aufgeschlitzt wie einen Halloweenkürbis, und das war kein special effect , glaub mir.« Sein Blick ging ins Leere, als würde er die Bilder dieser Nacht immer noch vor seinem inneren Auge sehen. »Hinterher haben sie alle gelacht, als hätten sie gerade ’ne Runde Billard gespielt oder so. Echt krank, Mann.«
»Was hast du getan?«
»Ich hab voll die Panik gekriegt. Mir war klar, wenn ich irgendein Geräusch mache, bin ich der Nächste. Also hab ich gewartet, bis sie anfingen, die Sauerei aufzuräumen, dann hab ich mich ganz leise nach oben geschlichen und bis zum Morgen in der alten Fabrik versteckt. Ich bin da nie wieder hin.«
»Aber du weißt noch, wo das war?«
»Ja, logisch«, sagte er und nickte langsam.
»Na los, fahren wir.« Jerome zog einen Zwanzig-Dollar-Schein aus seinem Portemonnaie und ließ ihn auf dem Tisch liegen.
»Wohin denn fahren?«
»Nach Gardena. Zu dieser alten Fabrik.«
»He, Mann, davon war aber nicht die Rede.«
»Ist es aber jetzt.«
»Muss das sein, Mann? Ich hab dir alles gesagt, was ich weiß, das war der Deal. Das reicht doch für die Beutel, oder?«
»Wenn du die Beutel willst, musst du mich da hinbringen.«
»Das ist nicht fair, Mann. Das war nicht unser Deal.«
»Dann ändere ich den Deal eben«, sagte Jerome ungerührt.
Daryl wusste, dass er sowieso keine Chance hatte. Er brauchte einen Schuss, und zwar dringend. »Okay, Mann, aber wenn diese Dreckskerle da sind, dann steig ich um keinen Preis aus.«
»Keine Sorge, ich will nur sehen, wo es ist.«
55
U ndurchdringliche Dunkelheit umgab ihn, während er ganz allmählich zu sich kam. Die Reste des Betäubungsmittels wirkten noch in seinem schmerzenden Körper nach. Das heftige Pochen in seinem Kopf strahlte in den Nacken und in die Schulterblätter aus, und selbst die kleinste Bewegung war qualvoll. Er versuchte, zu rekapitulieren, was geschehen war und wo er sich jetzt befand, doch sein Erinnerungsvermögen war immer noch verschwommen.
Mehrere Minuten lang herrschte Verwirrung in seinem Kopf, bis ganz allmählich Einzelheiten hervortraten.
Der Laden fiel ihm wieder ein, die hübsche blonde Verkäuferin; dass er eine Flasche Wein ausgesucht und einen Strauß Rosen für Anna gekauft hatte. Anna … – er hatte sie nicht angerufen, um ihr zu sagen, dass er heute schon früher nach Hause käme. Sie erwartete ihn also nicht.
Er erinnerte sich an eine dunkle Spiegelung in der Fensterscheibe seines Wagens und dass er sich nicht schnell genug hatte umdrehen können, danach der stechende Schmerz seitlich im Hals. Und dann nichts mehr.
Er blinzelte in der Dunkelheit, versuchte zu begreifen, wo er war, doch es ergab alles keinen Sinn. Ein feuchter, fauliger Gestank hing in der Luft.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war. Er wollte auf seine Uhr schauen, konnte jedoch die Zeiger nicht erkennen.
»Hallo!«, versuchte er zu rufen, doch seine Stimme war zu schwach. »Hallo!« Diesmal hallte der Laut von den Wänden wider. Als er sich aufzusetzen versuchte, zerrte etwas an seinem rechten Knöchel. Er versuchte, sich loszureißen, doch die Umklammerung wurde nur noch fester. Er fuhr mit den Fingern darüber.
Eine Kette.
Eine sehr dicke Kette, die mit einem Eisenring an einer Mauer befestigt war. Er zog mit aller Kraft daran, doch nichts bewegte sich.
»Hallo, ist hier jemand?«
Stille.
Er holte tief Luft und bemühte sich, seine Nervosität im Zaum zu halten. Er musste jetzt ruhig bleiben und klar denken.
Was war passiert? Jemand hatte ihn angegriffen, aber warum ihn?
Seine Waffe war weg, sein Geld und die Polizeimarke waren dagegen noch da. Plötzlich traf ihn die Erkenntnis, wer ihn entführt haben könnte. Er fing an zu zittern.
Der Killer. Der Kruzifix-Killer.
Falls das stimmte, dann war er so gut wie tot. Man würde ihn erst finden, wenn der Killer mit ihm fertig war.
Er schloss die Augen und dachte an Anna.
Er hatte ihr nie richtig zu sagen vermocht, wie sehr er sie liebte, wie sehr sie ihm fehlen würde. Er wünschte sich, er hätte ihr ein besseres Leben geboten. Eines, bei dem sie nicht jeden Abend bangend warten musste, ob ihr Mann von der Arbeit nach Hause kam oder nicht. Eines, das nicht von ihr verlangte, sich
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