Der Kruzifix-Killer
hoch und warf Hunter einen kurzen Seitenblick zu. »Soll das ein Witz sein?«
Hunter schüttelte den Kopf.
»Klar habe ich vom Kruzifix-Killer gehört. Jeder in L. A. hat vom Kruzifix-Killer gehört. Verdammt, jeder in den ganzen Vereinigten Staaten hat vom Kruzifix-Killer gehört. Ich habe den Fall damals ganz genau verfolgt. Warum?«
»Was weißt du darüber? Über den Fall?«
»Willst du jetzt angeben, oder was?«, fragte Garcia mit einem unbehaglichen Lächeln zurück, als warte er auf die offensichtliche Antwort. Doch die kam nicht. »Ist das dein Ernst? Du willst, dass ich dir von dem Fall erzähle?«
»Tu mir den Gefallen.«
»Na gut«, sagte Garcia mit einem Achselzucken. »Das war vermutlich dein größter Fall. Sieben scheußliche Morde über einen Zeitraum von zwei Jahren verteilt. Irgendein wahnsinniger religiöser Fanatiker. Du und dein Ex-Partner habt den Typ vor ungefähr eineinhalb Jahren geschnappt. Als er aus L.A. rausfuhr. Wenn ich mich recht erinnere, war sein ganzer Wagen gespickt mit Beweismaterial, Sachen, die den Opfern gehörten, und so Zeug. Anscheinend hat er sogar relativ bald gestanden, das Verhör hat gar nicht lange gedauert, stimmt’s?«
»Woher weißt du von dem Verhör?«
»Ich bin auch Polizist, schon vergessen? Wir kriegen ganz gute interne Informationen. Jedenfalls wurde er zum Tode verurteilt und bekam vor einem Jahr oder so die tödliche Spritze, eins der am schnellsten vollzogenen Todesurteile der Geschichte. Sogar der Präsident hat sich eingeschaltet, nicht wahr? Es kam alles groß und breit in den Nachrichten.«
Hunter betrachtete seinen Partner einen Moment lang schweigend. Garcia kannte die Geschichte so, wie sie in den Medien dargestellt worden war.
»Das ist alles, was du darüber weißt? Weißt du, warum die Presse ihn den Kruzifix-Killer nannte?«
Jetzt war es Garcia, der seinen Partner einen Moment lang ansah. »Du hast nicht zufällig was getrunken, oder?«
»Nicht seit ein paar Stunden«, entgegnete Hunter und warf instinktiv einen Blick auf die Uhr.
»Klar, jeder weiß das. Wie gesagt, er war ein religiöser Fanatiker. Dachte, er würde die Sünde aus der Welt tilgen oder irgend so einen Mist. Prostituierte und Drogenabhängige umbringen und so – oder was ihm diese perverse Stimme in seinem Kopf eben gerade eingab. Jedenfalls, Kruzifix-Killer hieß er, weil er jedem seiner Opfer auf den linken Handrücken ein Kreuz ritzte.«
Hunter saß nur schweigend da.
»Moment mal, du glaubst, wir haben es hier mit einem Nachahmer zu tun? Dieses seltsame Symbol im Nacken der Frau. Jetzt, wo du das sagst – es sah tatsächlich wie irgendein Kreuz aus«, überlegte Garcia laut.
Hunter antwortete nicht. Zwei oder drei Minuten lang kehrte wieder Stille ein. Sie hatten jetzt die Sand Canyon Road erreicht, ein exklusives Viertel in Santa Clarita, und überall um sie herum standen große Häuser mit makellos gepflegten Vorgärten. Hunter war froh, wieder in der Zivilisation zu sein. Der Verkehr wurde dichter: Es war die Zeit des morgendlichen Berufsverkehrs. Überall sah Hunter Männer und Frauen in Anzug und Kostüm aus den Häusern kommen, bereit für ihren Tag im Büro. Die ersten Sonnenstrahlen streiften gerade eben den Himmel, und es versprach wieder ein brütend heißer Tag zu werden.
»Was den Kruzifix-Killer angeht, kann ich dich da was fragen?«, sagte Garcia schließlich in die Stille hinein.
»Schieß los«, gab Hunter in gleichförmigem Ton zurück.
»Es gab damals Gerüchte, dass einer von euch, entweder du oder dein Partner, nicht glaubte, dass der Kerl, der festgenommen wurde, tatsächlich der Killer war – trotz der ganzen Beweise in seinem Wagen und obwohl er gestanden hatte. Stimmt das?«
In Hunters Kopf tauchten die Bilder des einzigen damaligen Verhörs mit dem sogenannten Kruzifix-Killer auf und spulten sich ab wie ein Film.
Klick …
»Mittwoch, 15 . Februar, 10 Uhr 30 . Detective Robert Hunter beginnt mit dem Verhör von Mike Farloe im Fall 017632 . Der Verdächtige Mr Farloe hat erklärt, dass er auf einen Rechtsbeistand verzichtet.« Hunter befand sich in einem der acht Verhörräume im Gebäude des Morddezernats und sprach in den altmodischen Kassettenrekorder.
Hunter gegenüber saß ein vierunddreißigjähriger Mann mit ausgeprägtem Unterkiefer, vorspringendem Kinn, Dreitagebart und Augen wie schwarzes Eis. Das schüttere schwarze Haar war nach hinten gekämmt. Seine Hände waren in Handschellen und lagen flach auf dem
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