Der Kruzifix-Killer
hätte sie wohl nur ein paar Stunden durchgehalten.«
»Wie lange hat sie denn durchgehalten?«
»Irgendwas zwischen zehn und sechzehn Stunden. Der Tod muss zwischen zwanzig Uhr am Sonntagabend und ein Uhr am Montagmorgen eingetreten sein.«
»Sie wurde sechzehn Stunden lang gefoltert? Du lieber Gott«, stöhnte Garcia.
Einen Augenblick lang schwiegen alle drei. Schließlich fuhr Dr. Winston fort. »Wir haben auch die Schnüre untersucht, mit denen sie an die beiden Pfosten gefesselt war.«
»Und?«
»Auch nichts Auffälliges. Eine ganz gewöhnliche Nylonschnur, wie man sie in jedem Heimwerkerladen bekommt.«
»Was ist mit dem Spiegel auf der Schlafzimmertür? Er sah neu aus. Gibt’s da irgendwas?«
»Nicht wirklich. Wir haben nur alte Spuren von Chemikalien gefunden, die typischerweise in Spiegelklebern vorkommen.«
»Und das bedeutet?«, fragte Garcia.
»Dass der Killer den Spiegel nicht gekauft, sondern von irgendeiner Tür abgenommen hat. Ich glaube allerdings nicht, dass irgendwer eine gestohlene Spiegeltür melden würde. Diese Spur zu verfolgen wäre sinnlos«, sagte Hunter.
»Und der Essig in dem Schraubglas?«
»Ganz gewöhnlicher Essig. Gibt’s in jedem Supermarkt.«
»Im Klartext, wir haben absolut nichts«, stellte Hunter nüchtern fest.
»O doch, wir haben etwas, aber das wird Ihnen nicht gefallen … Kommen Sie, ich zeige es Ihnen.« Dr. Winston ging zu einem kleinen Tisch, auf dem einige Fotos ausgebreitet waren. Hunter und Garcia folgten ihm.
»Das ist das eingeritzte Symbol im Nacken des Opfers«, sagte Dr. Winston und deutete auf das erste Foto. »Alle anderen Fotos, die Sie hier sehen, sind von den Opfern des Kruzifix-Killers. Die Symbole stimmen überein. Ich lehne mich so weit aus dem Fenster, zu behaupten, dass sie nicht nur von derselben Person ausgeführt wurden, sondern vermutlich mit demselben scharfen Instrument.«
Das Quäntchen Hoffnung, an das Hunter sich geklammert hatte – dass es sich vielleicht doch um einen Nachahmer handelte –, war somit dahin. Die Fotos lösten einen Wirbelsturm von Erinnerungen in ihm aus.
Für Garcia war es das erste Mal, dass er Originalbeweismittel aus dem Kruzifix-Killer-Fall zu sehen bekam. Die Ähnlichkeit auf den Fotos war offensichtlich.
»Können Sie uns irgendwas über das Häuten sagen?«, fragte Garcia.
»Allerdings. Dabei zeigt uns der Täter, wie gut er ist. Das war chirurgische Präzisionsarbeit – wie er geschnitten hat, wie er dabei das Muskelgewebe und die Sehnen intakt ließ – phantastisch. Er muss einige Zeit mit ihrem Gesicht verbracht haben. Es würde mich nicht wundern, wenn der Täter Chirurg oder etwas in der Art ist. Aber so viel wussten wir bereits über den Kruzifix-Killer.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Garcia verwirrt.
»Der Kruzifix-Killer hat jedes Mal ein Körperteil an seinem Opfer entfernt, ein Auge, einen Finger, ein Ohr, so eine Art Trophäe aus Fleisch und Blut«, erklärte Hunter. »Das ist eine Art Unterschrift von ihm, wie auch die Gravur im Nacken der Opfer und dass er sie auszog. Laut Dr. Winston hat der Täter jeden dieser Körperteile chirurgisch perfekt entfernt, und zwar immer, während das jeweilige Opfer noch lebte.«
»Anscheinend hat sich der Killer in dieser Hinsicht noch verbessert«, schloss Dr. Winston.
»Und warum macht er so was? Dem Opfer ein Körperteil entfernen?«, fragte Garcia.
»Um sich an das Opfer zu erinnern«, erwiderte Hunter. »Das ist nicht ungewöhnlich bei Serienmördern. Ihre Opfer bedeuten ihnen viel. Meistens empfindet der Killer sogar eine Art von Bindung zwischen sich und seinen Opfern. Manche behalten ein Kleidungsstück, meist ein intimes. Manche eben einen Körperteil. Das sind gewöhnlich die grausameren und sadistischeren Täter.«
»Mannomann«, sagte Garcia, während er nachdenklich die Fotos betrachtete. »Ich nehme an, bei der damaligen Untersuchung wurden Ärzte als potentielle Täter ins Auge gefasst?«
»Nebst Medizinstudenten, Krankenschwestern und so weiter. Aber wir sind auf niemand Verdächtigen gestoßen«, antwortete Hunter.
Carlos ging zu der Leiche zurück. »Sie sagten, sie hat keine Muttermale, Tattoos oder dergleichen. Gibt es irgendwas, das uns helfen könnte, das Opfer zu identifizieren?«
es mit dem Gesicht versuchen.«
Garcia warf Dr. Winston einen unwilligen Blick zu. »Das soll wohl ein Scherz sein.«
»Wir können»Wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert, Detective«, erklärte Dr. Winston, und um seine
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