Der Kugelfaenger
wird.
„Thomas, bist du es?“ Die Stimme seines Vaters klingt um einiges anders, als er sie in Erinnerung hat. Schwächer.
„Ja.“
„Was machst du?“, fragt er zögernd.
„Ich schlafe“, sagt Tom. Dann setzt er sich in der Dunkelheit im Bett auf. „Was ist bei euch da drüben eigentlich los?“
„Ich brauche deine Hilfe, Thomas“, meint der alte Mann langsam.
„Wieso? Geht’s dir nicht gut?“, fragt Tom irritiert, aber mit leiser Sorge.
„Der Krebs gedeiht prächtig, sonst geht’s mir prima“, sagt er mit leisem Sarkasmus in der Stimme. „Aber du musst unbedingt zurückkommen.“
„Ja, das glaube ich auch“, schnaubt Tom. „Was zum Teufel treibt dieser Idiot eigentlich da drüben?“ Damit ist Rusty gemeint.
„Er hat irgendwelche krummen Dinger am Laufen“, gibt David unwillig zu.
„Wie krumm?“
„Ziemlich krumm“, sagt David. „Illegaler Waffenhandel und so. Ich wollte es am Anfang auch nicht wahrhaben, aber die Tatsache, dass er und Steve verschwunden sind und das FBI ihnen nachjagt, bestätigt alles.“
„Und du? Was ist mit dir?“
„Mit mir?“, fragt David verwundert.
„Was hast du mit der ganzen Sache zu tun?“, präzisiert Tom seine Frage. „Die werden doch nicht umsonst deine Firma durchwühlt haben.“
„Du solltest vorsichtig sein mit dem, was du sagst, Thomas. Ich bin mir sicher, die haben alle meine Telefone verwanzt“, weicht der Alte aus.
Tom reibt sich die Stirn. „Sag bloß, du rufst von Zuhause aus an.“
„Nein. Von einer Telefonzelle“, sagt sein Vater.
„Na also, kein Grund zur Panik“, meint er beschwichtigend.
„Kein Grund zur Panik? Meinst du das ernst? Ich will nicht wissen, was heutzutage schon alles möglich ist“, empört sich David.
Die Paranoia seines Vaters lässt Tom kurz lächeln. Dann reißt er sich wieder zusammen und konzentriert sich erneut auf seine Frage. „Also, was ist mit dir?“
„Ich habe gar nichts damit zu tun“, beteuert sein Vater. „Ich hatte keine Ahnung, was Rusty und Steve hinter meinem Rücken so treiben. Aber wenn ich es gewusst hätte …“ Er beendet seinen Satz nicht.
Tom reibt sich über seine müden Augen. „Das FBI hat also die ganze Firma dicht gemacht?“
„Ja“, sagt David knapp. „Sie haben alles durchsucht. Gott sei Dank haben sie nichts gefunden, außer dass sich einer unserer Sicherheitsberater illegal in den USA aufhält. Das habe ich auch nicht gewusst.“
„Und Rusty hat sich abgesetzt?“
„Ja. Ich weiß wirklich nicht wo er steckt. Und das ist auch der Punkt, warum du nach Hause kommen sollst. Du musst ihn finden, bevor es das FBI tut.“
„Das kann ich nicht machen.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich deinen Rusty nicht suchen kann“, sagt Tom. „Was soll ich denn machen? Ich weiß nicht mal, wo ich anfangen sollte zu suchen. Weil ich nämlich keine Ahnung habe, wo diese zwei Idioten sind. Wenn die Polizei ihn schon nicht findet,
wie soll ich ihn dann finden
?“ Er wird wieder etwas ruhiger. „Und wenn ich mich da jetzt auch noch einmische, habe ich vielleicht selbst bald das FBI am Hals. Ich wurde wegen Körperverletzung verhaftet, vergiss das nicht. Die werden mich zerfleischen, wenn sie auf die Idee kommen, ich könnte auch was damit zu tun haben. Und das kann ich im Moment wirklich nicht brauchen. Und wenn Rusty so schlau ist wie er immer tut, dann wird er sich vom FBI nicht erwischen lassen, sondern auf irgendeiner Karibikinsel abtauchen, warten bis der größte Wind vorbei ist und sich bald von ganz alleine melden. Wie klingt das?“
David sagt zuerst nichts. Dann: „Du hast recht.“ Es fällt ihm merklich nicht leicht, das zuzugeben, das ist sogar für einen Außenstehenden zu erkennen.
„Eben. Also lass mich jetzt aus dem Spiel. Das renkt sich schon wieder ein. Irgendwann.“ Tom verstummt. Sein Vater sagt ebenfalls nichts mehr. Tom hört dessen tiefen Atemzügen zu und fragt sich, ob sein Vater auch seinen Atem hören kann. Nach einer Weile fragt Tom: „Bist du wütend auf ihn?“ Und als sein Vater zögernd mit „Ja“ antwortet, verschafft das Tom eine gewisse Genugtuung. Wie viele Jahre hat er darauf gewartet, dass sein Dad auch mal von Rusty, diesem Kotzbrocken enttäuscht ist? Es sind viele Jahre. Sehr viele Jahre.
„Du kommst also nicht?“
Tom wählt seine Worte mit Bedacht. „Ich habe schon nach Flügen gesucht. Der nächste geht erst übermorgen. Aber ich werde kommen. Ich habe die Schnauze voll von London.“
„Ach
Weitere Kostenlose Bücher