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Der Kugelfaenger

Der Kugelfaenger

Titel: Der Kugelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Rydell
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sorgenvoll die Stirn. „Aber Sie müssen auch mal an sich selbst denken. Gehen Sie nach Hause und schlafen Sie sich mal so richtig aus. Wir passen schon auf Ihre Tochter auf.“ Sie tätschelt ihm mit einer Hand die Schulter, dann verschwindet sie in einem der anderen Zimmer.
    Er sieht ihr nach. „Ach, scheiße“, sagt er dann und lässt sich gegen die Wand sinken. Er vergräbt sein Gesicht in den Händen. „Es hat vor einem Jahr angefangen“, beginnt er schließlich. „Sie hat immer weniger gegessen und immer mehr abgenommen. Zuerst dachten wir, das wird schon wieder, das ist nur eine vorübergehende Phase. Aber das war nicht vorübergehend. Es wurde immer schlimmer. Schließlich hat uns der Kinderarzt zu einem Psychologen geschickt. Es wurde besser. Sie hat wieder gegessen und ihr Gewicht hat sich normalisiert. Wir dachten, das war’s jetzt, es sei wieder alles in Ordnung. Doch dann hat sie plötzlich wieder rasend schnell abgenommen. Sie hat sich allerlei Tricks einfallen lassen, damit es nicht auffällt, wenn sie nichts isst.“ Bei dieser Erinnerung muss er unwillkürlich lächeln. „Uns war gar nicht bewusst, wie dünn sie wieder geworden ist, noch viel dünner, als beim ersten Mal. Bis sie schließlich letzte Woche zusammengeklappt ist und so hier eingeliefert wurde.“ Er weist mit dem Kopf auf seine Tochter. „Herrgott, sie ist erst elf!“ Er starrt sie eine Weile lang an, dann beißt er plötzlich die Zähne aufeinander. „Ich habe vor ein paar Wochen Bilder gefunden, ausgeschnitten aus Modezeitschriften. Bilder von Kate Moss und anderen dieser verdammten Models. Und Bilder von Ihnen, Miss Williams. Feinsäuberlich ausgeschnitten und in ihr Tagebuch geklebt. Dreizehn Seiten voll. Und daneben stand jedes Mal: ‚So will ich auch sein.’, in ihrer süßen Handschrift. Können Sie sich vorstellen, wie das ist? Es war ein Schlag in den Magen. Ich wusste, ich muss etwas unternehmen. Ich hatte so eine Wut auf diesen ganzen Scheiß, auf Frauen wie Sie.“ Er zeigt mit dem Finger auf Evelyn. „Und ich habe etwas unternommen.“
    „Warum gerade ich?“, wirft sie ein.
    „Es war leichter an Sie heranzukommen, als an Kate Moss oder so“, sagt er und zuckt mit den Schultern.
    Das leuchtet ihr ein.
    Er fasst in seine Jackentasche. „Vor ein paar Wochen, als ich den ersten Brief geschrieben habe, wollte ich, dass Sie sterben“, gibt er zu.
    Eins meiner Hühner
ist schon tot.
Evelyn fröstelt. „Und jetzt?“
    „Ich weiß es nicht so genau“, sagt er, steckt seine Hand in die andere Jackentasche und zieht ein Sprühfläschchen hervor, das er nachdenklich betrachtet. „Ich denke, jetzt würde ich Ihnen gerne das Wertvollste nehmen, das Sie besitzen.“
    Sie schluckt. Jetzt friert sie direkt. Natürlich. Das Wertvollste. Ihr Aussehen. Ihr Gesicht. Sie kann ihre Augen nicht von der Flasche in seiner Hand abwenden. Sie weiß, was Säure im Gesicht eines Menschen anrichten kann.
    „Wo haben Sie das her?“ Ihre Stimme ist kratzig.
    „Im Internet bekommen Sie alles was Sie wollen“, sagt er. Er fixiert sie mit seinen Augen.
    Sie braucht einen Moment, bis sie das verdaut hat. „Haben Sie mir schon öfter irgendwo aufgelauert?“ Sie möchte seine Antwort gar nicht erst wissen.
    Er nickt kurz mit dem Kopf, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Sie sind ja so unvorsichtig.“
    Evelyn wird vor Übelkeit ganz heiß. Aber sie ergreift ihre einzige Chance, die sie sieht, um von hier möglichst unbeschadet wegzukommen. Sie holt tief Luft und lehnt sich neben ihn an die Wand, obwohl sie ihm auf keinen Fall mehr so nahe kommen wollte.
    „Wenn Sie sich für den Zustand Ihrer Tochter rächen wollen, dann bringt es nicht viel, wenn Sie mich umbringen. Ich bin nur eine kleine Figur in diesem ganzen Wahnsinn. Sie müssten die gesamte Modebranche umbringen, mit all ihren Designern, Modelabeln, Trends und so weiter. Sie müssten unsere ganze Gesellschaft einer Gehirnwäsche unterziehen und dieses vorherrschende Ideal eines perfekten Körpers ausrotten.“ Die psychischen Faktoren der Betroffenen, die ebenfalls Ausschlaggebend für eine Essstörung sein können, lässt sie angesichts seines Blickes lieber weg. Er hat ihn starr auf sie gerichtet.
    „Wollen Sie damit jegliche Schuld abstreiten?“, sagt er scharf.
    „Nein“, beeilt sie sich zu sagen. „Nein.“ Sie weicht dem Blick des Fremden aus und ihre Finger schließen sich fester um das Skalpell. „Mich als Model trifft die gleiche Schuld.“ Es hat keinen

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