Der Kugelfaenger
sie in den vergangenen zwei Jahren fünf Interviews gegeben. Außerdem ist sie dafür bekannt, hin und wieder kritische Töne gegenüber der Modebranche zu äußern.
Ins professionelle Modelbusiness ist sie mit sechsundzwanzig Jahren, im Gegensatz zu ihren Kolleginnen, vergleichsweise spät eingestiegen.
Sie besticht durch ihre freche und durchaus provokative, aber zugleich auch sinnliche Ausstrahlung, was sie bei einigen, vor allem britischen Designern begehrt macht.“
Es sind einige Fotos von ihr angeheftet, die zum Teil auf Modenschauen gemacht wurden oder von diversen Fotoshootings oder Werbekampagnen stammen.
Bei weiterem Suchen stößt er auf einige Internetartikel eines Onlinemagazins mit vielsagenden Schlagzeilen wie:
„Streit um Werbespot“, „Paradox: Kritik am Magerwahn aber selbst…“, „Kritik an Modeindustrie“
oder
„Williams greift Jury-Kollegen an“.
Und in allen Berichten taucht Evelyns Name auf. Und das ist nicht immer positiv.
Er liest sich alle diese Artikel gründlich durch, ohne aber mit seiner Recherche recht viel weiterzukommen. Irgendwann döst er unruhig vor sich hin. Aber nur so lange, bis er auf der Treppe Schritte hört.
Er öffnet mit einem Schlag die Augen und muss sich erst einmal in der Dunkelheit orientieren.
Es sind leise Schritte, so als ob jemand ganz vorsichtig auftreten würde, um dem morschen Holz ja keinen knarrenden Ton zu entlocken.
Tom fährt sich durch die wirren Haare.
Aber wer kann das sein? Vielleicht Evelyn? Aber was will sie denn mitten in der Nacht von ihm? Womöglich soll er den Rasen noch einmal mähen.
Während Tom noch über verschiedene Möglichkeiten wegen Evelyns nächtlichem Besuch nachdenkt, ertönt draußen auf der Treppe das Poltern eines Fußes, der in der Treppe einbricht. Dann ist es still. Tom kommt die Erkenntnis wie ein Schlag auf den Kopf: Das ist nicht Evelyn! Evelyn würde
niemals
auf die kaputten Stufen treten. Und ihre Tante auch nicht. Die beiden kennen die Treppe wie ihre Handtaschen. Selbst im Dunkeln.
Tom reißt seine Bettdecke weg und springt lautlos aus dem Bett. Er tastet nach seiner Waffe. Normalerweise liegt sie auf dem Nachttisch.
Normalerweise
. Doch heute liegt sie nicht dort. Er hat keine Zeit, nach ihr zu suchen, denn der Fremde setzt seinen Weg schon wieder fort. Tom schleicht mit schnellen Schritten zur Holztür. Dabei muss er höllisch aufpassen, dass er nicht über am Boden liegende Sachen fällt oder sich daran stößt. In dem Moment, als er an der Tür ankommt und sich neben ihr an die Wand presst, ertönt das nächste Geräusch von einem einbrechenden Fuß. Ein unterdrücktes Fluchen folgt. Das war also die dritte Stufe von oben. Der Unbekannte ist also fast am Treppenabsatz angekommen.
Da fällt ihm auf, dass er die Tür nicht abgesperrt hat. Den Stuhl hat er auch nicht unter die Klinke geklemmt. Tom sucht verzweifelt nach irgendetwas, das er als Waffe benutzen kann. Seine Wahl fällt auf einen in der Ecke stehenden Besen und er bezieht damit hinter der Tür Stellung.
Draußen ist es ruhig. Gespenstisch still.
Toms ganzer Körper steht unter höchster Anspannung. Er hält den Atem an und wartet. Und wartet. Er wartet auch noch nach einer Minute aber nichts passiert. Er starrt den Türgriff wie gebannt an. Dann runzelt er nachdenklich die Stirn. Sollte er sich vielleicht doch getäuscht haben? Hat er sich die Schritte und die einbrechenden Füße nur eingebildet?
Langsam kommen ihm ernsthafte Zweifel an seinem Verstand. Oder ist es nur die Müdigkeit? Kann sie einem einen solch derartigen Streich spielen? Er weiß es nicht. Also beschließt er, der Sache selbst auf den Grund zu gehen.
Er lauscht noch einmal, zählt bis drei, bis sieben, bis zehn. Bei dreizehn entschließt er sich, sich dem Feind zu stellen.
Falls es ihn überhaupt gibt.
Er umfasst mit einer Hand den Türgriff, mit der anderen krallt er sich an den Besenstiel. Dann atmet er noch einmal tief ein und drückt den schweren Türgriff sehr langsam und behutsam nach unten. Als die Tür einen Spalt offen ist, wartet er und horcht erneut, doch von draußen ist immer noch kein Lebenszeichen zu vernehmen. Also wird Tom mutiger und öffnet die Tür noch ein Stückchen weiter. Dann steckt er den Kopf vorsichtig ein wenig nach draußen.
Dann, eine schnelle Bewegung vor seinem Gesicht.
Scheiße, denkt er noch, der hat auf mich gewartet.
Dann trifft ihn irgendein Gegenstand mitten im Gesicht.
Ein heftiger Schmerz durchfährt ihn von den
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