Der Kugelfaenger
sie sich im Schlaf und krümmt ihre Finger nur noch fester um das Album. Also legt er die Decke einfach auch darüber. Einen Moment bleibt er noch neben ihr stehen und betrachtet sie nachdenklich.
Wenn sie schläft, sieht sie direkt brav aus.
Aber sie kann auch anders, das weiß er.
Dann schaltet er die Leselampe auf dem Schreibtisch aus und lehnt beim Hinausgehen die Tür hinter sich leise an, sodass sie noch einen kleinen Spalt offen steht.
Catherine sitzt am Küchentisch und starrt an die gegenüberliegende Wand.
Tom wünscht ihr eine gute Nacht und sie lächelt müde. Als er über den feuchten Rasen wandert, kann er den Schlüssel hören, wie er im Schloss umgedreht wird.
***
Mit einem Mal öffnet Evelyn die Augen. Sie bewegt sich nicht, nur ihre Augen tasten vorsichtig die Dunkelheit ab.
Was war das?
Sie lauscht angestrengt in die Stille. Sie hört nur ihren leicht beschleunigten Atem und die Motorengeräusche eines draußen vorbeifahrenden Autos. Sie vernimmt sonst nichts. Dabei könnte sie
schwören
, dass sie draußen etwas gehört hat. Sie dreht ihren Kopf. Ihr Nacken schmerzt.
Wo bin ich eigentlich?
Sie blinzelt mit den Augen und richtet sich auf. Da fällt etwas zu Boden. Sie hebt eines der Fotoalben ihres Onkels wieder auf. Sie ist beim betrachten der Bilder in seinem Sessel eingeschlafen. Sie streckt ihre schmerzenden Beine aus.
Da ist das Geräusch plötzlich wieder.
Ein Kratzen.
Wie ein Schlüssel, der ins Schloss gesteckt wird.
Aber das hier ist leiser. Und das hört sich auch nicht wirklich nach einem Schlüssel an. Schon eher nach … irgendetwas anderem. Evelyn ist sich nicht sicher. Ihr Herz beginnt schneller zu schlagen. Sie lauscht angestrengt. Dann entschließt sie sich aufzustehen. Sie geht zur Tür hinüber, die nur angelehnt ist und späht zögernd in den Flur. Die kratzenden Laute sind verstummt.
Ist Bess vielleicht wieder einmal aus dem Gewächshaus ausgebrochen?
Als sie gerade den Flur betreten möchte, hört sie plötzlich ein Knarren.
Die Verandabretter!
Dann kann sie leise Schritte vernehmen. Schleichende Schritte. Sie bewegen sich auf der Veranda von der Haustür weg.
Macht Mr. Hunt vielleicht einen Rundgang?
Evelyn macht die Tür vom Arbeitszimmer ein paar Zentimeter weiter zu. Sie lugt vorsichtig durch den Spalt. Die Haustür kann sie so natürlich nicht sehen.
Der kann was erleben!
Dann kann sie wieder ein leises Kratzen hören. Es kommt aus dem Wohnzimmer. Es
muss
das Wohnzimmer sein.
Die Tür zur Veranda!, schießt es ihr durch den Kopf.
Was will dieser Hunt an der Tür zum Wohnzimmer?
Ein gedämpftes Knacken und das Splittern von Holz lässt sie aus ihren hektischen Gedanken hochfahren.
Scheiße. Das ist nicht Mr. Hunt. Da will jemand einbrechen.
Evelyn klammert sich an der Tür fest. Sie spürt ihr Herz klopfen. Es pocht gegen das Holz.
Klar, ungewöhnlich ist ein Einbruch bei weitem nicht. Das hier ist nicht gerade die beste Gegend Londons. Hier treiben sich durchaus Kleinkriminelle herum und auch die Bandenkriminalität ist nicht zu unterschätzen. Obwohl sie eigentlich wissen müssten, dass es bei den Bürgern hier nicht viel zu holen gibt. Ein Großteil der hier lebenden Menschen gehört der unteren Mittelschicht bis Unterschicht an. Die Bevölkerung von Newham setzt sich aus ungefähr 40 % Weißen, 34 % Asiaten und ca. 20 % Schwarzen zusammen. Newham ist ein Stadtbezirk, in welchem die ethnischen Minderheiten die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Es gibt eine hohe Bevölkerungsdichte, einen hohen Anteil von Arbeitslosen und Singles mit Kind. Der Anteil von Personen je Haushalt und von Personen unter 15 Jahren ist ebenso höher. Des Weiteren gibt es einen hohen Studentenanteil, aber im Gegensatz dazu einen niedrigen Anteil von Personen mit Hochschulabschluss.
Drüben im Wohnzimmer muss der Eindringling schon eingestiegen sein – was auch nicht besonders schwer ist, wenn man bedenkt, wie alt das ganze Haus ist. Man kann ihn deutlich hören, obwohl er sich bestimmt die allergrößte Mühe gibt, nicht aufzufallen.
Evelyn kauert sich neben der Tür auf den Boden. Ihre Gedanken rasen.
Sie kann nicht zu ihrem Bodyguard hinüber laufen. Ganz ausgeschlossen. Wenn sie im Dunkeln nicht schon an eine Kommode stößt oder gegen einen Türpfosten knallt, dann wird der Einbrecher sie spätestens dann entdecken, wenn die überlasteten Türangeln der Haustür bei deren Öffnen ihr grässliches Quietschen von sich geben. Außerdem ist ansonsten Catherine
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