Der Kugelfaenger
Blattwerk, diesmal jedoch ist sie auf die Hofeinfahrt gerichtet. Die dritte Kamera bringt er, versteckt zwischen den Balken der Verandaüberdachung, über der Haustüre an. Schließlich montiert er ohne Evelyns Wissen noch die letzte über der Tür seiner Wohnung.
Die gut getarnten Überwachungskameras schalten sich erst ein, wenn sie in ihrer Umgebung eine Bewegung ausmachen können und nehmen jeden auf, der sich ihnen nähert. Sie senden jedes Bild an Toms Laptop, der auf dem Tisch in seiner Wohnung steht.
Zu guter letzt installiert er noch den Bewegungsmelder zwischen den Pfosten des Verandageländers. Er wird aktiviert, wenn jemand die Lichtschranke durchschreitet und die Veranda betritt. Das löst einen Alarm aus, der sowohl im Haus, als auch in seiner Wohnung zu hören ist.
***
„So, ihr braucht jetzt auch mal eine Pause, ihr zwei“, ruft Catherine ihnen von der Veranda aus zu und schwenkt eine Flasche mit Saft in der Hand.
Tom richtet sich erleichtert auf. Die letzte Pause liegt immerhin schon etwas zurück.
„Tom!“, ruft Catherine von der Veranda herunter und schwenkt noch etwas anderes in der Hand: Ein Spielbrett. Das lässt Tom sich nicht zweimal sagen. Er wischt sich seine dreckigen Hände an der Jeans ab. Dann folgt er Evelyn auf die Veranda. Catherine hat schon Saft in drei Gläser gegossen und das Spielbrett vorbereitet. Es ist – wie gestern schon angekündigt –
Mensch ärgere dich nicht
. Tom setzt sich an den Tisch.
„Was ist das?“ Evelyn beugt sich über den Tisch, hebt den Deckel von einer Plastikdose an und starrt fassungslos hinein. „Du hast schon wieder
Kuchen
gebacken? Ich glaub’s ja nicht.“
„Ich weiß nicht, ob er schmeckt“, sagt Catherine stolz aber zweifelnd zugleich. „Mir sind die Zutaten ein wenig ausgegangen. Zum Beispiel das Mehl. Oder die Eier …“
„Tante Catherine, du hast mir versprochen-“
„Ich weiß, was ich dir versprochen habe, Liebes. Aber
ab und zu
ein Kuchen wird doch nicht so schlimm sein.“
„Ab und zu? Wir hatten gestern zum Frühstück Kuchen, wir hatten vorgestern Kuchen, wir hatten die ganze letzte Woche Kuchen.“ Zum Schluss wird ihre Stimme immer lauter. „Irgendwann reicht es mal mit Kuchen.“
Catherine sieht beleidigt aus. „Wenn dir mein Kuchen nicht passt, bitte, du musst ihn ja nicht essen. Ich zwinge dich zu nichts.“
Tom versucht den Streit zwischen Evelyn und ihrer Tante zu schlichten. „Wollen Sie auch mitspielen?“, sagt er und sieht Evelyn an. Sie hat sich ans Geländer der Veranda angelehnt und schlürft ihren Saft. Sie ist verschwitzt und die Erde klebt an ihren Händen und unter den Fingernägeln. Sie hat ihren riesigen Strohhut aus der Stirn geschoben und sieht zuerst zu ihrer Tante, dann zum Kuchen und blickt schließlich ihm in die Augen. Dann schüttelt sie den Kopf. „Nein. Ich werde unten weitermachen.“
Catherine schneidet sich ein extra großes Stück vom Kuchen ab und beginnt zu würfeln. Sie kann sofort eines ihrer kleinen Männchen herausschieben.
„Schade“, sagt Tom, wird dann aber vom Spiel abgelenkt, weil er nun an der Reihe ist. Evelyn stellt ihr Glas auf den Tisch zurück. „Viel Spaß“, sagt sie frostig, als sie sich abwendet und in den Garten zurückgeht.
„Ist sie beleidigt?“ Tom sieht Evelyn zu, wie sie wieder ihre Arbeitshandschuhe anzieht und zwischen Sonnenblumen und meterhohem Gestrüpp verschwindet. Ihren Hut hat sie tief ins Gesicht gezogen.
Catherine ist ganz ins Spiel vertieft. Ihre Figur marschiert gerade noch einmal um vier Plätze weiter. „Aber nein. Vielleicht nur ein kleines bisschen … Wissen Sie, Mr. Hunt“, sie beugt sich ein wenig nach vorne und grinst Tom verschwörerisch an, „Meine Nichte hält mich für verrückt. Können Sie sich das vorstellen?“
„Nein“, sagt Tom. Wie gesagt – mit Lügen hat er keinerlei Problem.
„Ich meine, halten
Sie
mich für verrückt, Mr. Hunt?“ Sie bedenkt ihn mit einem strahlenden Lächeln und bleckt dabei ihre Zähne, die zu einer Zahnprothese gehören. Dann lässt sie blitzschnell ein Stückchen Kuchen in ihrem Mund verschwinden.
„Ich halte Sie keinesfalls für verrückt“, sagt Tom. „Ich denke, jeder Mensch darf so oft und so viel Kuchen backen wie er will.“
„Genau. Ich finde,
sie
ist eher diejenige, die dem Wahnsinn nahe ist.“ Sie schiebt ihre Figur über das Spielfeld. „Außerdem kann ich nichts dafür, dass mein Mann so gerne Kuchen gegessen hat. Wissen Sie, was seine absoluten
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