Der Kugelfaenger
in den Nachthimmel blickt.
***
Evelyn saugt tief die kühle Abendluft ein und blickt in den schlafenden Garten. Alles ist friedlich. Man kann nur ein paar Grillen zirpen hören. Aus dem Gewächshaus, das nicht weit entfernt ist, kann sie nichts hören. Bei dem Gedanken, dass die Hennen jetzt wohl schlafen, muss sie lächeln. Sie lehnt sich an das Terrassengeländer und stützt ihren Kopf auf die Arme. Sie kann den immer noch leicht süßlichen Duft der Kletterrosen riechen, die sich am Geländer empor ranken. Sie richtet ihren Blick wieder in den dunklen Nachthimmel und nun bemerkt sie auch, dass in der Ferne dunkle Wolken aufgetaucht sind, die langsam aber stetig näher rücken.
***
Tom beobachtet sie. Der leichte Wind fährt ihr unter den Bademantel und lässt ihn um ihre schlanken Beine tanzen.
Er versinkt fast in seiner Bewunderung, als er mit einem Mal eine Bewegung an der Hecke ausmacht. Genau an der niedrigen Gartentür.
Tom hebt seinen Kopf. Ein stechender Schmerz fährt ihm in den Nacken.
Spielen ihm vielleicht seine müden Augen einen Streich?
Er hebt seinen Kopf, um besser sehen zu können.
Da taucht eine Gestalt an der Hofeinfahrt auf. Sie zögert kurz, dann betritt sie das Grundstück und bleibt unschlüssig an der Hecke stehen.
Nicht schon wieder, denkt Tom genervt. Hat man hier nicht eine Nacht seine Ruhe? Dann erkennt er die Gefahr, die von dem Fremden ausgeht und sein Ärger verfliegt wieder.
Er muss zu Evelyn. Warnen kann er sie wohl schlecht.
Der andere darf auf keinen Fall schneller sein.
***
Evelyn steht am Ende der Veranda und macht kurz die Augen zu, als sie spürt, dass sie müde wird. Aber plötzlich legt sich ein ganz beklemmendes Gefühl bleischwer auf sie. Es fühlt sich so an, als wäre da jemand hinter ihr. Sie kann es direkt spüren. Die Haare auf ihren Armen stellen sich auf. Sie blinzelt und öffnet die Augen vorsichtig wieder und gerade, als sie sich umdrehen will, drückt ihr jemand von hinten eine Hand auf den Mund und reißt sie auf die Verandabretter.
***
„Nicht erschrecken“, flüstert eine vertraute Stimme nahe an ihrem Ohr. Sie wird langsam herumgedreht und hat plötzlich Toms Gesicht vor sich. Er sieht beunruhigt aus.
„Ich bin es nur“, flüstert er immer noch. In abgehackten Sätzen erklärt er ihr sein Verhalten. „Keine Angst. Bewegen Sie sich nicht. Jemand ist im Garten. Bleiben Sie hier sitzen. Nicht aufstehen.“ Er sieht angestrengt durch die Holzstäbe der Veranda und die Blätter der Rosen. „Ich nehme jetzt meine Hand weg“, murmelt er dann weiter. „Nicht schreien, ja?“ Zögernd lässt er sie los. Er wirft einen letzten Blick durch das schützende Geländer der Veranda und ist im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden.
***
Tom schleicht mit schnellen Schritten an die Hausecke und lehnt sich dagegen. Dann linst er vorsichtig um die Ecke und wirft einen Blick in den Garten. Er sieht den Fremden. Er ist anscheinend wieder auf dem Weg zur Straße und hat nicht die Absicht, Evelyn zu entführen oder so.
Aber Tom will wissen, was er hier mitten in der Nacht zu suchen hatte.
Er bückt sich und wühlt mit seinen Fingern zwischen den Steinen herum, die sich neben der Hauswand befinden. Dann hat er plötzlich einen zerbrochenen Stein in der Hand. Er nimmt das glatte Gestein und hält es sich vors Gesicht und betrachtet es. Der Stein ist spitz und scharfkantig und passt wunderbar in seine Handfläche. Eine perfekte Waffe.
Toms Finger schließen sich fest um das Stückchen Stein. Dann löst er sich aus dem Schatten der Hauswand und wagt sich auf die freie Rasenfläche.
Der Fremde kniet im Gras und bindet sich die Schuhe zu. Sein Kopf ist nach unten gebeugt.
Sehr unvorsichtig.
Nach wenigen Metern und völliger Geräuschlosigkeit, steht Tom direkt hinter ihm. Er legt ihm den Arm um den Hals und verschließt ihm mit einer Hand den Mund und hält ihm schon in derselben Sekunde den scharfen Stein wie ein Messer an die Kehle.
„Ganz ruhig, Freundchen“, sagt er leise an seinem Ohr. „Keinen Mucks, oder du kannst dir deine Einzelteile wie ein Puzzle zusammensuchen.“
Der Unbekannte ist völlig überrumpelt und versucht in Panik, sich aus dem festen Griff zu befreien. Das gelingt ihm nicht, denn Tom stößt ihn nach vorne auf den Rasen, rammt ihm das Knie ins Kreuz und hält ihm seine Arme auf dem Rücken zusammen und drückt ihn mit dem Gesicht ins Gras.
„Wirst du jetzt ruhe geben, hm?“, raunt ihm Tom mit schneidender Stimme ins
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