Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
bin.« Sie nickte. » Doch Sie scheinen nicht nur meine Form von Synästhesie zu haben. Sie haben auch eine lexikal-gustatorische Synästhesie, bei der einzelne Worte und Töne gesprochener Sprache einen bestimmten Geschmack in Ihrem Mund auslösen. Dieses Phänomen, Wörter zu schmecken, kommt ebenfalls sehr selten vor. Und was es noch ungewöhnlicher macht, ist der Umstand, dass Synästheten – wie man uns nennt – normalerweise nur eine Form dieses Phänomens aufweisen, eine Kombination untereinander verschalteter Sinne, aber Sie scheinen …«
» Zwei davon zu haben«, ergänzte sie. Sie hatte sich erwartungsvoll nach vorn gelehnt und die Stirn in konzentrierte Falten gezogen.
» Nicht nur zwei«, sagte er. » Sogar Ihre Fähigkeit, einzelnen Personen farbige Auren zuzuschreiben, ist ein typisches Merkmal der Gefühlssynästhesie.« Er zeigte Ihr seine Liste. » Das Bemerkenswerte daran ist, dass Sie anscheinend nicht nur die seltensten Formen dieses Phänomens haben, sondern jede Form, die mir bekannt ist.« Und er las ihr die übrigen Einträge in seiner Liste vor: » Graphem-Farb-Synästhesie: Sie sehen Buchstaben und Zahlen als Farben. Graphem-Personifikation: Sie weisen Zahlen, Buchstaben oder Wochentagen bestimmte Charaktereigenschaften zu. Ton-Farb-Synästhesie, schmalband und breitband: Sie sehen Musik und andere Geräusche in Ihrer Umgebung als Farben. Und, zu guter Letzt, Sequenz-Raum-Synästhesie: Sie sehen Zahlen in einer dreidimensionalen, farbig kodierten virtuellen Matrix, was es Ihnen erlaubt, mathematische Probleme mit erstaunlicher Geschwindigkeit im Kopf zu lösen.« Fox schwieg einen Moment, um selbst erst einmal zu verarbeiten, was er gerade gesagt hatte. Jane Doe schien eine Art Super-Synästhetin zu sein, bei der jeder einzelne Sinn mit den anderen verschaltet war. Auf einer Ebene nahm sie die Welt um sich herum wahr wie jeder andere, doch auf einer anderen sensorischen Ebene interpretierte sie alles, was sie wahrnahm, völlig anders. Mit einem Mal schien ihm seine eigene Berührungssynästhesi e z iemlich gewöhnlich. » Kurz gesagt, haben Sie jede Form von Synästhesie, die mir einfällt ohne in meinen Büchern nachzuschlagen, und wahrscheinlich noch viele andere, an die ich nicht gedacht habe. Es gibt mindestens sechzig anerkannte Varianten, die sich jeweils auf unterschiedliche Permutationen unserer fünf Hauptsinne beziehen. Vielleicht haben Sie sogar Formen, die bisher noch gar nicht diagnostiziert wurden. Ich habe noch niemals so etwas erlebt oder davon gehört. Sie sind womöglich einzigartig.«
» Aber was genau heißt das? Was hat das mit meinem Gedächtnisverlust zu tun und mit meinen Halluzinationen?«
Er öffnete wieder ihre Krankenakte und las noch einmal die Bemerkungen über ihre Kopfverletzung. » Normalerweise ist eine Synästhesie etwas, womit man geboren wird und die sich genetisch vererbt. Sie kann auch nach einer Kopfverletzung auftreten, oder durch Drogen, aber Ihre Verletzungen aus der Nacht des Feuers sind nicht sehr ernst und Drogenkonsum konnten wir ausschließen. Ich gehe also davon aus, dass Sie die Synästhesie bereits vor der Amnesie hatten und dass Ihre Halluzinationen irgendwie damit in Verbindung stehen.«
» Sie denken also nicht, dass meine Halluzinationen und meine Amnesie zusammenhängen?«
» Nicht direkt, nein. Doch jetzt, da ich über Ihre Synästhesie Bescheid weiß, möchte ich mich gerne mit Ihren Halluzinationen befassen. Sie scheinen tatsächlich eine vollkommene Synästhesie zu haben.« Er schwieg einen Moment, bevor er sich auf das unsichere Terrain der Spekulation begab. » Und vielleicht werden Ihre Gedanken und Ängste dadurch zu solch sinnlichen Erfahrungen. Das würde erklären, warum Sie ihre Halluzinationen so gut riechen, sehen, hören und fühlen können. Ihre einzigartige Fähigkeit zur sinnlichen Wahrnehmung könnte wie eine eingebaute Special-Effect-Fabrik funktionieren, nur dass Ihre Halluzinationen nicht computergeneriert sind, sondern sozusagen synästhetisch generiert. Vergessen Sie nicht, dass Halluzinationen nichts anderes sind als sinnliche Wahrnehmungen im Wachzustand, denen die entsprechenden Außenreize fehlen. Aber womöglich benötigen Sie keinerlei äußerliche Reize, um Ihre Gedanken und Gefühle ins Reich der Sinne zu übertragen und als sehr real zu erleben.«
» Aber woher kommen diese Bilder? Aus meiner Phantasie? Meinen Ängsten? Erinnerungen?«
» Das ist die große Frage.« Eine Sekunde lang spielte
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