Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
und ein großes bronzenes Anch-Zeichen über dem Bett. Auf dem Tisch am Fenster lagen eine Haarbürste und einige Toilettenartikel, und in dem kleinen Bücherregal in der Ecke standen ein paar Taschenbücher. Auf dem obersten Regalbrett sah sie einen Holzrahmen mit einem verblichenen Foto. Die Frau, die in die Kamera lächelte, kam ihr bekannt vor. Als Sorcha näher trat, erkannte sie, dass die Frau ihr sehr ähnlich sah. Sie hielt ein Baby in den Armen: Das Baby aus dem Medaillon. Sorcha berührte das Gesicht ihrer Mutter und lächelte. Die Frau lebte nicht mehr, und Sorcha konnte sich nicht an sie erinnern, doch der Anblick ihrer Mutter mit ihr selbst als kleinem Kind in den Armen bestätigte ihre Existenz und verankerte ihren Platz in der Welt.
Im angrenzenden Badezimmer nahm sie Shampoo und Seife, um daran zu riechen, aber der Duft löste keinerlei Erinnerungen aus. Sie duschte und fand frische Kleidung auf einem Stuhl vor ihrem Bett. Die selbst genähten, selbst gefärbten Sachen – Unterwäsche, Jeans, Baumwoll-T-Shirt und Pullover – waren sauber, aber getragen. Sie passten wie angegossen, und Sorcha nahm an, dass es ihre eigene alte Kleidung war. Der Gedanke gefiel ihr. Sie betrachtete sich im Spiegel und wünschte, ihre alte Identität und ihre Erinnerungen mit derselben Leichtigkeit überstreifen zu können.
Als sie ihre Zimmertür öffnete und barfuß in den Korridor trat, hörte sie Stimmen. Sie folgte ihnen zu einer halb offen stehenden Tür und wollte gerade anklopfen, als sie Regan Delaney nackt auf dem Rücken liegen sah. Maria, die schwangere Rothaarige, saß auf ihm, ihre vollen Brüste schwangen über seinem Gesicht. Die Blonde lag neben ihm und streichelte seine Schenkelinnenseiten. Die dritte Frau saß am Rande des Bettes und gab ihrem Neugeborenen die schwere Brust, während sie Delaneys Stirn streichelte. Alle drei Frauen waren nackt und flüsterten ihm ermutigend zu, während sie ihn voller Hingabe betrachteten.
Wie gebannt vom Rhythmus der sich windenden Körper starrte Sorcha grauenerfüllt auf die Szene, während das Flüstern mit zunehmender Geschwindigkeit der Bewegungen immer eindringlicher wurde. Plötzlich stöhnte Delaney laut auf und stieß mit den Hüften nach oben. Als er zum Höhepunkt kam, öffneten sich seine Augen, und wie in Trance rollten seine Pupillen nach hinten, so dass nur noch das Weiß der Augäpfel zu sehen war. Die Frauen starrten ihn die ganze Zeit über mit vor Verzückung weit aufgerissenen Augen an. » Was siehst du? Sag uns, was du siehst«, bat die Rothaarige atemlos und mit zitternden Schenkeln.
Während sie auf seine Antwort warteten, schaute die Blonde zur Tür. Ohne eine Spur von Scham lächelte sie Sorcha zu: ein wissendes, selbstzufriedenes Lächeln. Als hätte man ihr einen Eimer mit Eiswasser über den Kopf geschüttet, gewann Sorcha die Kontrolle über ihren Körper zurück, sprang nach hinten und lief so schnell sie konnte den Korridor hinunter, bis sie sich im Hauptraum wiederfand. Umgeben von Bücherregalen versuchte sie, sich wieder zu beruhigen und die Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Zum ersten Mal war sie dankbar für ihre Amnesie, denn es war ihr vorgekommen, als hätte sie einen Fremden beim Sex beobachtet und nicht ihren eigenen Vater.
» Guten Morgen, Sorcha.« Sie wirbelte herum und sah ihn auf sich zukommen. Er trug eine lange schwarze Robe und lächelte. Wenn er wusste, was sie gerade gesehen hatte, dann zeigte er es nicht. » Hast du gut geschlafen?«
» Ja, danke.« Sie wollte ihn nach ihrer Mutter fragen, konnte aber die richtigen Worte nicht finden. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und drehte sich zur Wand, wo sie sich plötzlich einem zwei Meter hohen Gemälde von zwei sich überschneidenden Figuren gegenübersah, die eine klar und deutlich, die andere ein blasser Schatten der ersten. Arme und Beine der beiden Figuren waren ausgestreckt wie bei einem Scherensprung. Sieben wagenradähnliche Vortexes in den sieben Farben des Regenbogens waren über ihre Wirbelsäulen verteilt, von Rot am unteren Ende bis Violett über dem Scheitel. Der sechste, indigofarbene Vortex zwischen den Brauen hatte die Form eines Auges. Jeder von ihnen war mit seinem Zwilling auf der anderen Figur über einen silbernen Faden verbunden, abgesehen vom obersten. Das Band, das die siebten, violetten Vortexes auf den Scheiteln miteinander verband, war geflochten. Die Gesichter beider Figuren besaßen starke Ähnlichkeit mit Regan
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