Der Kulturinfarkt
meist besser, sie sind tarifvertraglich geschützt. Eine Grauzone in der institutionellen Förderung entsteht, wo sie sich auch auf Theaterbetriebe bezieht, die nicht öffentlich sind und auch nicht nur der Form nach privat. Doch für diese privaten Theater, meist mit einem Programm aus dem Boulevard-Repertoire und oft mit starken lokalen Bezügen, sind Fördersummen und auch die Anteile am Etat gemessen an den Fördersummen für öffentliche Theater vernachlässigbar. Und dann gibt es jenseits aller Förderung einen kleinen freien Markt, ein kommerzielles Theaterangebot, seien dies Musicals, Boulevardtheater oder freie Gruppen und Künstler, die nicht oder noch nicht im öffentlichen Fördersystem angekommen sind. Die künstlerischen Arbeitsmärkte in diesem Feld spiegeln die Komplexität dieser von Markt und Förderung geprägten Landschaft. Die Arbeitsmärkte überlappen sich zudem mit Film, mit privatem und mit öffentlichem Rundfunk- und Fernsehangebot. Dies ist ordnungspolitisch ein weiteres interessantes Untersuchungsfeld.
Betrachtet man die unterschiedlichen Förderzugriffe durch eine ordnungspolitische Brille, zeigt sich schnell, dass sie jeweils sehr unterschiedlich auf den Markt darstellender Künste wirken. Förderung von Personen, durch welche Maßnahmen auch immer, vergrößert den Arbeitsmarkt und weitet das Theaterangebot aus. Es werden mehr Menschen im Markt darstellender Kunst agieren, als dies ohne die Förderung der Fall wäre. Was diese Menschen dann tun, ist eine andere Frage. Die Abspielförderung wirkt unmittelbar auf das Angebot. Sie wird nur fällig, wenn Theater gespielt wird, nicht schon, wenn Künstler künstlerische Leistungen versprechen, wie in der Förderung von Personen. Es wird also mehr Aufführungen geben, und diese können zu niedrigeren Eintrittspreisen angeboten werden. Nur ihr Publikum müssen sie noch finden. Produktionsförderung auf der anderen Seite nimmt den Druck von einem Betrieb, die Kosten einer Produktion durch Abspielung zu realisieren. Es werden auch Produktionen möglich, die ein größeres Risiko tragen, dass sie ihr Publikum nicht finden. Produktionsförderung hat so der Tendenz nach eine umgekehrte wirtschaftliche Wirkung wie Abspielförderung. Es wird dann eben produziert, aber nicht so oft gespielt. Nicht selten richten sich in der Praxis Produktions- und Abspielförderung auf dieselben Theater oder Produktionen. Das klingt nach einer großen Goldader für die entsprechenden Betriebe, aber die Summen außerhalb der Förderung öffentlicher Theater sind klein. Für das Gros der freien Theatergruppen gilt, dass sie sich keiner üppigen Förderung erfreuen, sondern sehr findig darin sein müssen, viele Rinnsale zu einem ausreichenden Trunk zusammenzuführen. Der administrative Aufwand ist hoch. Erst bei der institutionellen Förderung geht es um bedeutende Etats. Wenn keine weiteren Auflagen mit diesen Förderetats verbunden werden, werden die wirtschaftlichen Spielräume genutzt, um die internen betrieblichen Kosten zu erhöhen (Personalstamm, Gehaltshöhe, Beschäftigungssicherheit, Produktionsbudgets), um mehr zu produzieren, möglicherweise um Preise zu subventionieren, schließlich um Nebenleistungen anzubieten (Theaterpädagogik, Outreach-Programme oder Ähnliches). Konflikte mit privatwirtschaftlichen Angeboten sind hier kaum zu vermeiden: Aus der Sicht der Theaterbesucher ist dies alles herzlich gleichgültig. Sie interessiert nur, dass sie die Aufführung sehen, die ihnen vom Genre und der erwarteten Qualität her behagt. Sie sind daran interessiert, den Theaterbesuch im Rahmen des eigenen Budgets bezahlen zu können. Sie können Förderwege, Fördersummen und Hintergründe der Förderung nicht durchschauen.
Man könnte dies andersherum aus der Sicht einer Spielstätte schildern. Diese Spielstätte – zum Beispiel eine Stadthalle, die in einer kleineren Stadt ein Kulturprogramm anbietet – hat es mit Künstlern und Künstlergruppen zu tun, die auf unterschiedliche Weise gefördert werden, und mit anderen, die sich ausschließlich aus den Auftritten heraus refinanzieren müssen. Wie die Kulturkonsumenten kann die Stadthalle nicht wissen, mit welcher Fördergeschichte ihre Lieferanten zu ihnen kommen. Ein transparenter Markt stellt sich so nicht her.
Eine ordnungspolitisch orientierte Förderung würde mit dem Förderwirrwarr aufräumen müssen. Das geht nur, wenn klare Ziele formuliert sind. Was kann der Markt leisten? Was soll gefördert werden?
Weitere Kostenlose Bücher