Der Kulturinfarkt
Welche Förderwege führen zu den gewünschten Ergebnissen? Die öffentlichen Kassen, die für die darstellende Kunst offen stehen, müssten koordiniert vorgehen.
Zweites Beispiel: Förderung bildender Künstler. Es gibt sie entlang ihrer Künstlereigenschaft. Das beginnt bereits mit dem meist kostenlosen Besuch der Hochschule. Dann gibt es etwa vergünstigte Ateliers; es werden Infrastrukturen bereitgestellt, die künstlerisches Produzieren ermöglichen sollen. Dann gibt es aber auch – wiederum in Form von Preisen und Projekten, von Ausstellungen und Engagements – andere Möglichkeiten zur Einkommenserzielung, die sich zum Teil auf Subventionen aus öffentlichen Händen stützen. Zudem hat eine Ausstellung in einem öffentlichen Museum oder Ausstellungshaus auf den Marktwert und die Einkommensmöglichkeiten eines Künstlers erhebliche Auswirkungen: Ausstellungen in renommierten Häusern erhöhen die Marktpreise. Zu verweisen ist weiter auf die Künstlerförderung in der Sozialversicherung (Künstlersozialkasse) oder die steuerliche Förderung des Kunstabsatzes (etwa durch die verminderte Umsatzsteuer in Teilbereichen des Kunsthandels). All dies wirkt recht zufällig. Öffentliche Künstlerförderung folgt keiner strategischen Linie. Bei den fördernden öffentlichen Händen gibt es nicht einmal eine Vorstellung davon, was sie auf dem Markt anrichtet. Sicher ist nur: Die vielen im Fördersystem eingebetteten Anreize bringen mehr Menschen in den Beruf des bildenden Künstlers, als der Kunstmarkt trägt. Worauf der Ruf nach mehr öffentlichen Mitteln erschallt, die wiederum über die verschiedensten Kanäle einfließen und weitere Anreize für Künstler schaffen, es doch zu versuchen. Es ist nicht erstaunlich, dass in einem solchen Fördersystem ungewollte Resonanzen entstehen, Unterförderung, Fehlallokation von Mitteln und andere Ineffizienzen. Auch hier muss natürlich deutlich gesagt werden, dass trotz aller Förderung die wirtschaftliche Situation vieler Künstler sehr schwierig ist.
Ein letztes Beispiel betrifft Förderung, die nicht fördert, sondern hindert. Es soll gleichzeitig zeigen, wie komplex ordnungspolitische Zusammenhänge sein können. Das deutsche Umsatzsteuerrecht kennt neben dem ermäßigten Steuersatz für Teile der kulturellen Umsätze auch das Mittel der Steuerbefreiung für kulturelle Einrichtungen. Das Gesetz (§ 4 Nr. 20 US tG) nennt »die Umsätze folgender Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst« sowie Umsätze gleichartiger Unternehmen, wenn ihnen staatlicherseits bescheinigt wird, »dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben« erfüllen. Entsprechende Bescheinigungen wurden in der Vergangenheit gern von den zuständigen Behörden ausgestellt, teilweise auch gegen den Willen der Steuerbefreiten. Ordnungspolitisch entscheidend ist hier, dass die von der Steuer befreiten Einrichtungen Vorsteuern aus Lieferungen und Leistungen nicht geltend machen können. Damit verteuern sich diese aus Sicht der Einrichtung um den enthaltenen Umsatzsteuerbetrag. Problematisch ist, dass der scheinbare Vorteil der Steuerbefreiung sich – je nach Struktur des Budgets – in einen Nachteil verkehren kann. Dies ist bei nicht wenigen der genannten Einrichtungen der Fall. Man nehme als Beispiel eine Werkstattleistung im Theater oder den Ausstellungsbau im Museum. Die steuerbefreite Einrichtung wird in diesem System dazu neigen, solche Leistungen selbst zu erbringen und nicht an Fachbetriebe zu vergeben, wenn der Nettopreis im Haus günstiger ist als der Preis inklusive der Mehrwertsteuer eines Externen. Die gut gemeinte Steuerbefreiung fördert so bei den ihr unterworfenen Einrichtungen die vertikale Konzentration. Steuerbefreite Betriebe stellen sich nicht schlank auf und kaufen Leistungen auf dem Markt, wenn sie sie brauchen, sondern stellen sich besser, wenn sie solche Leistungen selbst erbringen. Das wiederum lähmt die Bereitschaft, mit kulturwirtschaftlichen Anbietern zusammenzuarbeiten. Die von der Umsatzsteuer befreiten öffentlichen Kulturträger organisieren sich möglichst autark.
Die Beispiele zeigen: Es gibt gute Gründe dafür, das System der Kulturförderung unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten zu durchforsten. Es reicht nicht aus, in der Kulturpolitik klare Ziele von
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