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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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während sie zu den Inhalten nichts mehr sagen darf, gilt hier doch die Freiheit der Kunst und ihrer Kuratoren. Diese Entwicklung zu Ende gedacht, bewegen wir uns auf das leere Museum und das leere Theater zu. Sie wären nur noch Zeichen ihrer gesellschaftlichen Rolle, Erben ihrer selbst, und würden als solche besucht. Wie die Kirchen. Man geht nicht mehr zum Beten hin, sondern aus Nostalgie und Neugier.
    Umso mehr erstaunt die allgegenwärtige Rede, dass die gegenwärtige Ausdehnung das unantastbare Minimum an kultureller Infrastruktur sei, Schließungen und Rückbau ein Angriff auf den Kern der Kultur. Ist das, was gerade jetzt da ist, die unbedingt zu erhaltende Substanz? Entwicklung darf, wenn man den Vertretern der Institutionen zuhört, nur stattfinden, wenn sie das Bestehende nicht gefährdet. Doch was wäre gefährdet, wenn die Hälfte der Theater und Museen verschwände, einige Archive zusammengelegt und Konzertbühnen privatisiert würden? 2500 statt 5000 Museen in Deutschland, 500 statt 1000 in der Schweiz, 400 statt 800 in Österreich – wäre das wirklich die Apokalypse? 70 staatliche und städtische Bühnen statt 140 in Deutschland, 700 statt 1300 Bibliotheken in der Schweiz?
    Fünf Gründe für die Halbierung der Infrastruktur
    Fällt es so schwer, sich vorzustellen, dass die frei werdenden Mittel sich auf die verbleibenden Einrichtungen, auf neue Formen und Medien kultureller Produktion, auf die Laienkultur, die Kunstausbildung und eine tatsächlich interkulturell ausgerichtete kulturelle Bildung verteilen könnten? Wenn es so käme, würden die erneuernden Kräfte gestärkt zulasten der beharrenden. Dann hätte Zukunftsfähigkeit wieder einen Raum. Und Kulturpolitik wäre ihre Vergangenheitsorientierung los. Kulturpolitik im Kulturstaat wirkte dann weniger paradox. Statt die Kluft zwischen Produktion und Nachfrage ständig neu herzustellen mit dem hehren Anspruch, sie zu überwinden, könnte sie Veränderung mitgestalten. Politik als Dialektik.
    Die Halbierung der kulturellen Infrastruktur lässt sich gut begründen. Erstens wird sie kaum jemanden auf Entzug setzen. Die allgemeine Mobilität erweitert den Radius der Konsumenten. Und die Digitalisierung gestattet preisgünstigen Zugriff auf die meisten Kulturerzeugnisse unserer Zeit, nicht in ihrer Live-Form, zugegeben, dafür jederzeit und den Rezeptionsmöglichkeiten angepasst. Die Touristen werden nur von den höchsten Leuchttürmen angezogen – das sind wenige. Der lokale Kampf ums kommunale Selbstbewusstsein lässt sich nicht mit Einrichtungen gewinnen, die den riesigen Erwartungen an inszenierte Kunst nicht standhalten. Zweitens, viel wichtiger, setzt die Halbierung geschätzte zwei der neun öffentlichen Milliarden frei, welche fünf Zwecken zugute kommen könnten, die das globale Kräftespiel mitgestalten und welche für Entwicklung, Zukunftsoptimismus, strukturellen Umbau und soziale Integration stehen.
Ein Fünftel diente dazu, die überlebende Hälfte der heutigen Infrastruktur finanziell angemessen auszustatten. Über Bedeutung und Anziehungskraft verfügt nur, was Klasse hat. Klasse aber kostet. Als kulturelle Komplexe, welche vielfache Aufgaben wahrnehmen, werden die Einrichtungen nicht günstiger, dafür ausgreifender und bedeutsamer.
Ein Fünftel bekommt die Laienkultur, welche anders als die distinktiven Institutionen der Hochkultur eine sozial integrative und Kultur vermittelnde Funktion wahrnimmt, Identifikation mit der Gesellschaft herstellt und kulturelle Verankerung als Praxis erlebbar macht. Nicht die Produktion von Laienkultur braucht vermehrte öffentliche Hilfe, aber jene Strukturen, welche sie ermöglichen und vorantreiben. Denn je knapper die Gemeinden bei Kasse sind, umso weniger stille Leistungen erbringen sie für die Laienkultur, der aber das Geld fehlt, um Infrastrukturen zu mieten und sich Vermittler von ästhetischem Know-how – Regisseure, Animatoren, Dirigenten usw. – zu leisten. Laienkultur, ein Thema in den Achtzigern, als die Kultur von allen eine kurze Blüte erlebte, sieht sich heute mehr denn je vom Kultursystem ausgeschlossen, scheitert an der Anspruchshürde von Professionalität und Qualität, wie die Förderung sie errichtet. Dieser Ausschluss macht die soziale Gewalt, die in so vertrauten Förderbegriffen wie Professionalität und Qualität steckt, anschaulich.
Ein Fünftel flösse in die noch nicht existente Kulturindustrie, welche nationale, europäische und globale Ambitionen vereint. Förderung

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