Der Kunstreiter
hütete. Josefine durfte die Bilder nicht besehen, wenn er nicht selber dabei war. Heute erlaubte Georgine dem Kinde, hinüberzugehen und sich die Kupferstiche zu betrachten, bat aber die Gouvernante, dabei zu bleiben, daß ja nichts mit den Büchern geschehe und die Erlaubnis nicht mißbraucht werde. Adele wandte allerdings ein, der Herr Baron würde es vielleicht nicht gern sehen und böse werden, wenn er es erführe; Madame dagegen erklärte, die Verantwortung allein auf sich nehmen zu wollen, und die Erzieherin konnte sich natürlich nicht länger weigern, dem Befehle zu gehorchen.
Die Zeit, die beide dort verbrachten, genügte vollkommen. Georgine packte alles Nötige in zwei große Fußsäcke und schrieb dann die letzten Zeilen an Georg. Der Brief war kurz und inhaltschwer; aber mit sich im reinen, grübelte sie nicht lange über die Fassung. Die Zeilen flogen auf das Papier, dann faltete sie das Blatt zusammen,überschrieb und siegelte es und legte es, als Adele und Josefine Georgs Zimmer wieder verlassen hatten, auf ihres Mannes Schreibtisch.
Nach dem Mittagessen ging sie noch mit der Wirtschafterin durch die Gebäude und ordnete einiges an, dann zu der Erzieherin auf die Stube und bat diese, Josefinen warm anzuziehen, da sie ein Stündchen mit ihr im Schlitten fahren wolle. Das war den Winter schon einigemal geschehen und konnte deshalb keinen Verdacht erregen. Josefine selber freute sich auch darauf, und mit dem Schlage drei Uhr hielt der eine Knecht, der den Auftrag dazu bekommen, mit dem kleinen leichten, mit Georginens eigenem Pferd bespannten Schlitten vor der Tür. Georgine trug selber den einen Fußsack hinunter und ließ den andern dann, während sie das Pferd hielt, von dem Knechte nachholen. Adele war noch beschäftigt, Josefinen recht warm einzuhüllen, und wenige Minuten später klingelte das muntere Tier mit seiner leichten Last lustig zum Tore hinaus und auf der glatten Straße hin, dem Walde zu.
Unten im Dorfe läutete die Glocke zu dem Begräbnis des alten Tobias, dem die Wirtschafterin und der alte Verwalter pflichtschuldigst beiwohnten, und nach dem Begräbnis gingen die Leute ins Wirtshaus, tranken noch ihr Glas und sprachen über den Verunglückten und die Art seines Todes.
Von Schildheim aus schritt Herr von Silberglanz, fest in seinen Paletot eingepackt und ein Paar Pelzstiefel, wie sein kleines Täschchen unter dem einen, seinen großen Pelz über dem andern Arm, einen schmalen Fußpfad entlang gerade dem Walde zu, das ihm bestimmte Rendezvous richtig und pünktlich einzuhalten.
Es war ein wundervoller Tag, der Schnee glitzerte und funkelte in dem kalten Sonnenlicht, und der hellblaue Himmel war von einem leisen Dunsthauche nur eben matt überzogen. Das muntere Pferd, mit dem leichten Schlitten hinter sich, das überdies jetzt lange im Stalle gestanden hatte, griff auch tüchtig aus, und die Kufen glitten blitzesschnell über den hartgefrorenen, knisternden Schnee.
»Freut es dich, Josefine,« fragte Georgine, als sie den Waldessaum erreichten, »so mit mir durch die Welt zu fahren?«
»Ach sehr, Mama, sehr,« rief das Kind, »es ist gar so wunderhübsch. Wäre nur Mademoiselle Adele bei uns?«
»Und möchtest du lange, recht lange so mit mir fahren? weit, weit hinweg von hier?«
»Wenn Papa und Mademoiselle Adele mitführen, gewiß – und wenn wir wieder hierher zurückkämen.«
»Und wenn wir nun wieder hinausführen in die Welt?« sagte die Frau, der diese Worte einen Stich durch das Herz gaben, »wenn wir nun wieder draußen lustig unsere Pferde bestiegen und in Glanz und Lichterpracht dahinflögen?«
Josefine schüttelte das Köpfchen. »Zu Hause ist's hübscher,« sagte sie, »und ich habe schon beinahe vergessen, wie es früher war.«
»Zu Hause ist's hübscher?« wiederholte Georgine, »ei, ei, Josefine, hast du ganz vergessen, wie stolz wir früher auf dich waren, wie reizend du auf dem Pferde aussahst, und wie geschickt du deine Sachen machtest?«
»Ja – aber ich mußt jetzt lernen, viel lernen, daß ich einmal eine wackere, brave Frau werden kann,« sagte das Kind, »ich muß auch dem lieben Gott dankbar sein, daß er mir eine Heimat und Eltern gegeben hat, die für meine Erziehung sorgen. Die armen kleinen Mädchen, die da draußen auf den Pferden tanzen und springen müssen, haben es doch lange nicht so gut wie ich.«
»Wer, um Gottes willen,« rief Georgine erstaunt, »hat dir die albernen Dinge in den Kopf gesetzt?«
»Alberne Dinge, Mama?« sagte
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